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Verdacht auf Korruption Österreich: Razzia im Kanzleramt – Kanzler Kurz unter Verdacht

  • In Österreich haben Ermittler das Kanzleramt, Teile des Finanzministeriums und die Zentrale der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) durchsucht.
  • Das bestätigt die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen den Bundeskanzler Sebastian Kurz und neun weitere Beschuldigte wegen Verdachts auf Untreue und Bestechung.
  • Die Opposition fordert den Rücktritt des Kanzlers.

Gemäss einer Medienmitteilung der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKSTA) stehen die Durchsuchungen im Zusammenhang mit Zahlungen, die mutmasslich für geschönte Umfragen geleistet wurden, welche «im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht» wurden.

SRF-Korrespondent Balzli: Regierung könnte noch eine Weile halten

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Kurzeinschätzung von SRF-Korrespondent Peter Balzli

Gemäss den politischen Kommentatoren in Österreich ist der Schaden des neusten Skandals riesig: für Kanzler Kurz, für die ÖVP, für das Land Österreich. Ob das aber auch die Bevölkerung in Österreich so sieht, bleibt offen. Denn bisher hat Kanzler Kurz alle Skandale fast unbeschadet überstanden. Und er hat ja auch heute klargemacht, dass er nicht daran denkt, zurückzutreten.

Seine Koalitionsregierung mit den Grünen führt das aber definitiv in die Krise. Denn wenn man die Chatprotokolle liest, dann stehen einem schon die Haare zu Berge, was die ÖVP da getrieben hat. Ob das aber reicht, um diese Koalition in die Luft zu sprengen, wird sich weisen müssen. Denn die Grünen wissen, wie unpopulär Neuwahlen während einer Pandemie sind, sie wissen, dass gemäss vielen Umfragen, auch der nicht manipulierten, die Kanzlerpartei haushoch führt. Ob Neuwahlen also eine neue Situation schaffen würden, bleibt höchst ungewiss.

Deshalb ist es denkbar, dass diese Regierung noch eine Weile hält.

Es wird dem Verdacht nachgegangen, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet wurden.

Kurz war bis 2017 Aussenminister, bevor er im Mai 2017 das Ruder bei der ÖVP übernahm. Bei den Neuwahlen im Oktober 2017 ging die Volkspartei als stärkste Kraft hervor und Kurz wurde Bundeskanzler.

ÖVP und Kurz dementieren

Laut der Behörde besteht weiter der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien. Die im Zuge der Hausdurchsuchungen sichergestellten Beweismittel würden nun gesichtet und ausgewertet. Laut der Zeitung «Der Standard» geht es um eine Inserate- und Medienkooperations-Vereinbarung im Volumen von 1.3 Millionen Euro.

Kurz sieht «konstruierte Vorwürfe»

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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz weist den Korruptionsverdacht der Staatsanwaltschaft gegen ihn zurück. «Ich bin überzeugt davon, dass sich auch diese Vorwürfe schon bald als falsch herausstellen werden», sagte der konservative Politiker (ÖVP) am späten Nachmittag dem Sender ORF.

Schon zuvor war Kurz ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten – wegen einer möglichen Falschaussage im parlamentarischen «Ibiza»-Untersuchungsausschuss.

«Auch diesmal sind es konstruierte Vorwürfe, wieder mit derselben Systematik», sagt Kurz weiter. Er wirft den Ermittlern vor, Chatnachrichten aus dem Zusammenhang zu reissen oder falsch darzustellen. «Und dann wird drumherum ein strafrechtlicher Vorwurf kreiert.»

In einem Interview am Mittwochabend in der ORF-Nachrichtensendung «ZiB2» sagte er weiter, es gebe überhaupt kein Indiz dafür, dass er persönlich zum Beispiel in die Beauftragung für ihn günstiger Meinungsumfragen oder in das Schalten von Inseraten verwickelt sei. «All diese Vorwürfe, die es da gibt, richten sich gegen Mitarbeiter des Finanzministeriums», betonte Kurz.


Die ÖVP und das Medienunternehmen Österreich, um das es Medienberichten zufolge geht, dementierten die Vorwürfe vehement.

Regierungskrise scheint wahrscheinlich

Eine Regierungskrise scheint nun wahrscheinlich. Die Grünen, als Partner der ÖVP seit Januar 2020 mit in der Koalition, hatten stets betont, dass mit ihnen nur eine «saubere Politik» möglich sei. Vorläufig zeigten sie sich aber zurückhaltend mit Kritik an Kurz: «Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht», sagte die Fraktionschefin der Grünen Sigrid Maurer.

Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden
Autor: Alexander Van der Bellen Bundespräsident

Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich am Rande einer Festveranstaltung zu Wort. «Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden», sagte er in Bezug auf die Razzien. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaften, Verdachtsmomenten unabhängig vom Ansehen der Personen nachzugehen. Momentan wisse man nur, dass es Ermittlungen gebe.

Opposition fordert Rücktritt

Österreichs Oppositionsparteien drängen nun auf eine Sondersitzung des Nationalrates. Kurz müsse sich auch vor dem Parlament und der Öffentlichkeit verantworten, wird der stellvertretende SPÖ-Fraktionschef Jörg Leichtfried in einer gemeinsamen Mitteilung von SPÖ, FPÖ und Neos zitiert.

«Wenn die Regierung und offensichtlich auch der Bundespräsident handlungsunfähig sind, muss das Parlament die Notbremse ziehen. Der Rücktritt des Bundeskanzlers ist angesichts der aktuellen Entwicklungen unausweichlich», sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Sollte Kurz nicht von sich aus die Konsequenz ziehen, will die FPÖ einen Misstrauensantrag einbringen. Auch die Oppositionspartei Neos forderte Kurz zum Rücktritt auf.

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SRF 4 News, 06.10.2021, 12:30 Uhr ; 

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