Am 4. Dezember stimmt Italien über eine grosse Verfassungsreform ab. Die Reform von Regierungschef Matteo Renzi soll das politische System schlanker und billiger machen. Der Senat, die zweite Kammer soll verkleinert und teilweise entmachtet werden. Das ewige Hin – und Herschieben von Vorlagen zwischen Senat und der ersten Kammer soll damit endlich aufhören.
Obwohl Italien dringend eine Vereinfachung der politisch-administrativen Abläufe braucht, droht die Verfassungsreform an der Urne zu scheitern. Die Vorlage der Mitte-Links-Regierung wird vehement bekämpft – von links bis rechts. Der Abstimmungskampf wird dabei hart und emotional geführt.
«Renzi-Diktatur» befürchtet
Einer der prominentesten und schärfsten Gegner der Reform ist der linke, parteilose Bürgermeister von Neapel, Luigi De Magistris. Der SRF-Rundschau erklärt der ehemalige Staatsanwalt, warum er die Reform als schlecht für das Land beurteilt. «Die Reform vereinfacht das parlamentarische System nicht. Sie reduziert nicht die Kosten der Politik. Sie hat nur ein Ziel: Die ganze Macht auf Matteo Renzi, auf den Regierungschef zu konzentrieren.»
Der Bürgermeister von Neapel befürchtet wie andere Reformgegner eine «Renzi-Diktatur». Die Reform müsse abgelehnt werden, ein Ja werde das Land politisch destabilisieren, Spannungen würden zunehmen, meint De Magistris. «Vor allem muss Renzi endlich verstehen, dass Italien nicht ihm gehört», so der Sindaco von Neapel.
«Populist» De Magistris
Im Lager des Regierungschefs werden die Vorwürfe als «populistische Propaganda» der Gegner zurückgewiesen. Die Verfassungsreform gebe dem Regierungschef nicht mehr Kompetenzen, erklärt Valeria Valente, Abgeordnete der Linksdemokraten und Renzis starke Frau in Neapel.
De Magistris und die Gegner der Reform würden versuchen, die Reform mit populistischen Attacken zu bodigen. Und mit dem Wettern gegen Rom und die nationale Politik könne man auf lokaler Ebene Applaus abholen: «De Magistris und andere Populisten reiten auf der Wut der Bevölkerung und spornen diese an. Man will Renzi vernichten und merkt nicht, dass man damit Italien zerstört. Die Reformgegner handeln verantwortungslos. Sie wollen nicht verstehen, dass nur diese Regierung das Land reformieren kann», sagt Valente.
Renzi-Gegner wie De Magistris wettern tatsächlich mit viel Verve gegen Rom. Sie orten alles Übel im bisherigen Parteiensystem, übersehen laut Valente aber, dass kein Premier so viele Reformen angestossen hat wie Matteo Renzi.
Dieser kam vor drei Jahren mit einem kleinen Putsch an die Macht, in dem er die alten Parteifürsten seiner eigenen Partei, dem Partito Democratico (PD), mit Unterstützung seiner vielen jungen Anhängern wegräumte. Die Verfassungsreform wäre nun Renzis grösste Errungenschaft auf einem Weg zu einem moderneren und reformfähigen Italien.
Neapels Wiedergeburt
Pikant im Streit zwischen Rom und Neapel ist, dass De Magistris seine Stadt mit zunehmendem Erfolg regiert. Seit seiner Wahl im 2011 ist die Stadt sicherer und vor allem sauberer geworden. Die Müllberge am Strassenrand sind mit dem parteilosen Bürgermeister verschwunden. Mitte-Links-Bürgermeister hatten zuvor in Neapel jahrelang erfolglos versucht, den Müllnotstand in den Griff zu bekommen.
Diesen Erfolg schlachtet De Magistris gerne aus – allerdings ohne darauf hinzuweisen, dass ihm neue und bessere Gesetze aus Rom diesen Erfolg überhaupt erst ermöglicht haben.