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Vergeltung für Giftgaseinsatz «Trump hat sich in die Rote-Linie-Falle manövriert»

US-Präsident Donald Trump hat den mutmasslichen Giftgasangriff in Syrien als «barbarischen Akt» bezeichnet und eine Reaktion in den nächsten Tagen angekündigt. Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik über Sinn und Unsinn eines Abwurfs weiterer Bomben auf syrischem Gebiet.

Volker Perthes

Politologe

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Der deutsche Politikwissenschaftler ist seit 2005 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP in Berlin.

SRF News: Würden die USA wieder Bomben abwerfen, geschähe das ohne ein UNO-Mandat. Das verstösst gegen Völkerrecht. Ist das eine gute Idee?

Ich halte es nie für eine gute Idee, gegen das Völkerrecht zu verstossen. Aber die Erwägungen sind hier völlig andere. Im gesamten Syrienkrieg ist es so, dass jene, die international involviert sind, nicht nach dem Völkerrecht fragen. Die Frage, die sich die Sicherheits-Establishments in Washington und Paris vermutlich stellen sollten, ist die: Ändert es am Verlauf des Krieges irgendetwas, wenn man jetzt ein paar Raketen in Richtung Chemieanlagen oder Waffendepots in Syrien schickt? Eine gute Antwort findet man wahrscheinlich im Angriff vor einem Jahr (nach der Giftgasattacke von Chan Scheichun , Anm. d. Red.). Offensichtlich hat dieser Angriff die syrische Regierung nicht davon abgehalten, erneut Chemiewaffen einzusetzen.

Trump hat in seiner Reaktion auf den Giftgasangriff in Syrien Russland mitverantwortlich gemacht. Was würde ein Angriff der USA für die Beziehung zu Russland bedeuten?

Selbst wenn ein begrenzter Angriff in Syrien am Kriegsverlauf wenig ändert – denn niemand geht davon aus, dass die Amerikaner oder die Franzosen eingreifen wollen, um den Krieg zu beenden –, so könnte sich dadurch das Verhältnis zwischen der grossen Mächten weiter erheblich verschlechtern. Das Verhältnis der USA zu Russland ebenso wie jenes Russlands zu den EU-Staaten ist sehr viel schlechter, als es seit dem Kalten Krieg je gewesen ist.

Wenn wir alle am Abgrund stehen, gibt es vielleicht noch einmal die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie man sich in der internationalen Politik derzeit verhält.

Es gibt gewiss Strategen in Paris und Washington, die sagen, ‹wir müssen Moskau jetzt zeigen, dass wir es wirklich ernst meinen›. Aber wenn wir alle am Abgrund stehen, gibt es vielleicht noch einmal die Möglichkeit, in allen Hauptstädten, Moskau eingeschlossen, darüber nachzudenken, wie man sich in der internationalen Politik derzeit miteinander verhält.

Vor wenigen Wochen haben Sie in der «Süddeutschen Zeitung» geschrieben, Frieden in Syrien sei möglich. Sehen Sie das heute noch so?

So habe ich das nicht geschrieben. Ich sagte, dass viele der internationalen Player jetzt darüber nachdenken, wie man den Krieg beendet, aber dass Kriegsbeendigung eben noch kein Frieden ist. Denn die Bedingungen für einen Frieden, der trägt, der nachhaltig und gesellschaftlich fundiert ist, existieren in Syrien nicht. Tatsächlich ist es so, dass der ursprüngliche Krieg zwischen der Regierung in Damaskus und diversen Rebellengruppen fast zu Ende ist.

Ob der Krieg in Syrien aufhört, ist keine Entscheidung der Regierung in Damaskus oder der Rebellen mehr, sondern der internationalen Akteure.

Assad hat mit russischer und iranischer Hilfe grosse Teile des Landes zurückerobert; die Opposition ist besiegt, auch wenn sie das noch nicht zugibt. Der Konflikt hat heute vor allem eine geopolitische Bedeutung. Ob das Schiessen, Morden und Bombardieren in Syrien aufhört, ist keine Entscheidung der Regierung in Damaskus oder der Rebellen mehr, sondern der internationalen Akteure USA, Russland, aber auch der Türkei und Irans.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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