Einen «Deal» im Grenzstreit zwischen Serbien und Kosovo hat die EU jüngst verkündet. Nun werden Ausweispapiere für den Grenzübertritt ohne zusätzlichen Aufwand gegenseitig anerkannt. Trotz positiven Signalen und weiteren Gesprächen mit EU-Beteiligung bleibe die Lage aber sehr fragil, sagt SRF-Osteuropakorrespondent Peter Balzli.
SRF News: Die Rede ist von einer Einigung, doch es gibt noch viele offene Fragen. Ist der Konflikt gelöst?
Peter Balzli: Der Konflikt ist deshalb nicht gelöst, weil Serbien den Staat Kosovo nach wie vor nicht anerkennt und als Teil seines Staatsgebiets betrachtet. Damit dürften sich die Probleme im Grenzverkehr nicht so bald ändern.
Wie gross ist die Chance, dass in nächster Zeit doch noch eine tragfähige Lösung gefunden wird?
Die Hoffnung besteht. Die aktuelle Lösung funktioniert anscheinend kurzfristig. Serbien anerkennt jetzt neu kosovarische Identitätskarten. Es gab am gestrigen Donnerstag keine Unruhen und brennende Barrikaden an den Grenzen. Aber die KFOR-Truppen der Nato waren sehr präsent, auch wenn sie nicht eingreifen mussten.
Die EU will weiterhin vermitteln. Sie war aber bisher nicht besonders erfolgreich?
Richtig. Aber trotzdem erfolgreich. Es gibt nun diesen Kompromiss, der erst einmal funktioniert, wenn auch nur bis Ende Oktober; und auch wenn das Problem mit den Nummernschildern noch nicht gelöst ist. Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe Serbien-Kosovo mit Beteiligung der EU an einer dauerhaften Lösung. Erstmals überhaupt haben sich der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic auf irgendetwas geeinigt. Das ist ein absolutes Novum.
Die Spannungen werden also auch langfristig mit dieser kleinen Einigung nicht verschwinden?
Die Spannungen dürften bleiben. Denn fünf EU-Staaten haben den Kosovo als Staat nicht anerkannt: Spanien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien. In allen diesen Ländern gibt es Minderheiten, die für mehr Autonomie oder gar ihre Unabhängigkeit kämpfen. Etwa die Katalanen in Spanien. Die Minderheiten sollen keinen Grund haben, dereinst auf Kosovo als erfolgreiches Beispiel für Unabhängigkeit zeigen zu können.
Die KFOR hat ihre Präsenz im Grenzgebiet verstärkt. Wie ist die Lage aktuell?
In Gesprächen wurde mir verschiedentlich bestätigt, dass offenbar alles ruhig geblieben ist. Das ist auch nicht verwunderlich, angesichts der starken KFOR-Präsenz. Es ist aber ganz klar eine fragile Ruhe. Die Spannungen im Nordwesten von Kosovo, wo mehrheitlich ethnische Serben leben, sind gross. Die Politiker auf beiden Seiten schüren ständig die Spannungen. Es braucht also nicht viel, dass es zu neuen Strassensperren und Feuern kommt.
Die Befürchtungen sind zweifellos gross, dass die Gewalt wieder aufflammt.
Die Befürchtungen sind zweifellos gross, dass die Gewalt wieder aufflammt. Aber die Tatsache, dass derzeit beide Seiten in einer Arbeitsgruppe mit EU-Beteiligung sitzen und verhandeln, ist sicher ein gutes Zeichen. Für eine erneute Eskalation braucht es allerdings wenig, und es gibt starke Kräfte im Hintergrund. Namentlich Russland, das keinerlei Interesse daran hat, dass im Kosovo Ruhe einkehrt.
Das Gespräch führte Nina Gygax.