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Vermittlung im Ukraine-Krieg Afrika wird selbstbewusster auf dem internationalen Parkett

Normalerweise ist es umgekehrt: Westliche Diplomatinnen und Diplomaten reisen nach Afrika, sprechen mit verfeindeten Staatsführern oder Kriegsherren. Sie stehen für ein Foto vor die Medien und reisen wieder ab – oft ohne konkrete Erfolge.

Nun steht die Welt Kopf. Staatschefs aus dem globalen Süden wollen im Norden vermitteln. Präsidenten und Top-Diplomaten von Südafrika, Sambia, Senegal, Ägypten, Kongo-Brazzaville und den Komoren reisen in die Ukraine und nach Russland. Eine so wohl noch nie dagewesene diplomatische Intervention.

Afrika braucht Getreide

Was Afrika sagen will: «Dies ist nicht unser Krieg – doch er betrifft uns sehr wohl.» Vor allem wirtschaftlich: Viele afrikanische Staaten sind auf ukrainisches Getreide angewiesen oder von russischem Dünger abhängig. Weil beides knapp ist, sind die Preise gestiegen. Der Ukraine-Krieg ist auf dem Kontinent bis ins abgelegenste Dorf zu spüren. Und derzeit steht das Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide durchs Schwarze Meer auf der Kippe.

Im Ukraine-Krieg haben schon diverse Akteure erfolglos versucht, zu vermitteln. Was kann Afrika besser machen? Vielleicht nicht viel, aber immerhin hat sich die Mehrheit der nun angereisten Staaten im Konflikt bisher betont neutral gegeben. Das wurde vom Westen auch schon kritisiert. Südafrika hat zudem im äthiopischen Tigray-Konflikt eine Waffenruhe erreicht. Das spricht für die afrikanischen Vermittler.

Zwiespältige Rolle Südafrikas

Allerdings steht besonders Südafrika traditionell den Russen nahe. Die USA haben den Südafrikanern unlängst gar vorgeworfen, sie würden Waffen an Russland liefern. Das weckt in Kiew Misstrauen. Und nicht zuletzt steht hinter der Reise die Initiative einer Stiftung, der man Russland-Nähe unterstellt. Die Brazzaville Foundation gehört einem französischen Geschäftsmann, der in Afrika tätig ist.

Doch weder die Ukraine noch Russland können oder wollen es sich offenbar mit Afrika verscherzen. Denn ein Krieg wird selten nur auf dem Schlachtfeld gewonnen. Und in der internationalen Gemeinschaft haben die über 50 afrikanischen Staaten in den letzten Jahren an Gewicht zugelegt.

Vielleicht werden die Fotos das einzig bleibende Resultat der Treffen in Kiew und St. Petersburg sein. Doch die Besuche zeigen – Afrikas Staatschefs treten selbstbewusster denn je in der internationalen Diplomatie auf. 

Samuel Burri

Afrika-Korrespondent

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Samuel Burri berichtet seit 2017 für SRF über das Geschehen in Afrika. Er lebt in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Der studierte Historiker war vor seinem Engagement bei SRF als freier Journalist in Ghana und Westafrika tätig.

Rendez-vous, 16.06.2023, 12:30 Uhr

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