In Albanien hat Ministerpräsident Edi Rama für seine neue Regierung ein ungewöhnliches Kabinettsmitglied angekündigt: Er will mit «Diella» eine künstliche Intelligenz als «Ministerin für öffentliche Anträge» ernennen. Die freie Journalistin Franziska Tschinderle erklärt die Beweggründe Ramas.
SRF News: Warum halten Sie den Einsatz von «Diella» für heikel?
Franziska Tschinderle: Diese virtuelle «Ministerin» soll sich um das öffentliche Beschaffungswesen kümmern. Das ist eine Mammutaufgabe. Es geht nicht um «erstelle mir eine Powerpoint-Präsentation für unsere neue Tourismuskampagne». Stattdessen ist es ein sehr heikles Feld, wo es in der Vergangenheit grosse Probleme gab und wo Millionen mitunter veruntreut wurden, zum Beispiel für Müllverbrennungsanlagen, die dann nie gebaut wurden.
Es gibt sehr viele offene Fragen.
Wo liegt das Problem?
In der Theorie, so wie sich Rama das vorgestellt hat, soll die KI Ausschreibungen bewerten. Und aus meiner Sicht sind da noch viele Fragen offen.
Welche?
Es gibt in Albanien wie wahrscheinlich in jedem Land eine staatliche Agentur für öffentliche Ausschreibungen. Wo kommt diese KI jetzt dort zum Einsatz? Wer programmiert sie? Und mit welchen Daten wird die gefüttert? Also es sind sehr viele Fragen offen.
Rama ist ein Meister in Kommunikation und Marketing.
Was verspricht sich Rama von dieser neuen virtuellen «Ministerin»?
Als erstes sicher Aufmerksamkeit. Rama ist ein Meister in Kommunikation und Marketing. Und es gibt zahlreiche Beispiele, in denen sich Albanien als Versuchslabor für Fragen angeboten hat, die weltweit diskutiert werden, zum Beispiel für das erste Tiktokverbot in Europa, Flüchtlingscamps in Drittstaaten – ein Experiment mit Italien. Ich glaube, mit dieser virtuellen «Ministerin» ist es ähnlich. Denn die Frage, ob Technologie Regierungsführung transparenter macht, und die Frage, ob KI verlässlicher ist als der Mensch, ist ein international diskutiertes Thema. Vielleicht sogar eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit.
Und Ramas zweite Ziel?
Das ist realpolitisch – nämlich ein Signal an die EU. Er hat im Mai eine vierte Amtszeit gewonnen, und sein wichtigstes Wahlkampfthema war ein EU-Beitritt bis 2030. Das zieht in Albanien. Es gibt nirgendwo sonst auf dem Balkan eine solche Euphorie. 90 Prozent der Bevölkerung wollen in die EU. Der Kampf gegen Korruption und eine moderne Verwaltung sind aber die Achillesferse eines Beitritts. Da hat Albanien neben Umwelt und Landwirtschaft ganz sicher die grössten Hindernisse zu bewältigen. Deshalb spricht Rama wohl so prominent über diese KI-«Ministerin».
Das Gespräch führte Katrin Hiss.