Edi Ramas sozialistische Partei gewinnt die Parlamentswahlen in Albanien laut Hochrechnungen deutlich. Seit zwölf Jahren regiert Edi Rama – und damit länger als jeder andere vor ihm seit dem Ende des Kommunismus. Nun kommen nochmals vier Jahre dazu.
Geschickte Positionierung
Auf den ersten Blick sieht es nach einer einzigen Erfolgsgeschichte aus. Unter Edi Rama ist die Wirtschaft in den letzten Jahren über dem regionalen Durchschnitt gewachsen. Dies ist vor allem auf den Tourismus zurückzuführen. Jedes Jahr verzeichnet das Mittelmeerland neue Besucherrekorde.
Edi Rama hat sich zuletzt auch geschickt auf der internationalen Bühne positioniert. Sei es bei der Unterstützung der Ukraine oder beim Migrationsdeal mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni: Stets präsentiert er sich und sein Land als verlässlichen Partner des Westens.
Nicht zuletzt dank seiner guten internationalen Beziehungen konnte er anfangs Jahr einen weiteren Erfolg verkünden: die Eröffnung der ersten Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der EU. Das zentrale Wahlversprechen Ramas ist denn auch der Beitritt bis 2030. Ein realistisches Ziel sagen die einen, kaum machbar andere.
Viele sind von der Politik enttäuscht
Doch auf den zweiten Blick ist nicht alles Gold, was glänzt: Eine zentrale Bedingung für den EU-Beitritt sind Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption.
Die dafür gegründete Sonderstaatsanwaltschaft liess im Januar den Bürgermeister Tiranas verhaften – ein enger Vertrauter Edi Ramas. Rama reagierte, indem er die Sonderstaatsanwaltschaft verunglimpfte und zu Protesten gegen die eigene Justiz aufrief. Hier präsentierte Rama sein autoritäres Gesicht, das er im Inland immer wieder aufblitzen lässt. Es zeigt sich auch darin, dass er in seiner Partei, aber auch im Staat, die gesamte Macht auf sich konzentriert.
Die Menschen kämpfen im Alltag dagegen mit den stark gestiegenen Lebenskosten oder mit einem Gesundheitssystem in desolatem Zustand. Edi Rama ist daher nicht so beliebt, wie das Resultat vermuten lässt. Das zeigt sich in der tiefen Wahlbeteiligung von gerade etwas mehr als 40 Prozent. Es zeigt sich aber auch an der anhaltend hohen Abwanderung, die das Land langfristig vor grosse Probleme stellen wird und die viel mit dem fehlenden Vertrauen auf eine bessere Zukunft zu tun hat.
Schwache Opposition ist Mitgrund für Wahlerfolg
Albanien hat de facto ein Zweiparteiensystem. Die einzige wirkliche Oppositionspartei, die Demokratische Partei, wird von Sali Berisha angeführt. Berisha ist 80 Jahre alt. Er ist seit über dreissig Jahren in der Politik, war Albaniens erster frei gewählter Staatschef. Er verkörpert damit nicht wirklich Erneuerung. Gegen Berisha wird zudem wegen Korruption ermittelt. Er steht deshalb sogar unter US-Sanktionen.
Rama gegen Berisha – das ist seit Jahren die einzige Wahl, welche die Albanerinnen und Albaner haben. Viele sehen darin zu Recht politische Stagnation. Ein frischer Wind, egal von welcher Seite, würde dem Land daher guttun.