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Von der Bühne an die Uni Campino: «Jeder Mensch ist Professor»

Campino ist Frontmann der deutschen Punkband Die Toten Hosen und neu auch Professor. Er bekam eine Gastprofessur an der Universität Düsseldorf und hielt diese Woche seine erste Vorlesung. Er berichtet über seine Erfahrungen und sein Leben.

Campino

Frontmann und Kreativkopf der deutschen Band Die Toten Hosen

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Andreas Joachim Wolfgang Konrad Frege – Künstlername Campino – ist Leadsänger der Punkband Die Toten Hosen und neu Gastprofessor an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf (D). Der Titel einer seiner Vorlesungen lautet: Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik. Bis anhin trat Campino als neben seiner Tätigkeit als Leadsänger als Songwriter, Autor und Schauspieler in Erscheinung.

SRF News: Wie fühlte es sich an, als Gastprofessor eine Vorlesung zu halten?

Campino: Ich habe das nicht so hoch gehängt. Joseph Beuys war lange Chef hier an der Kunstakademie in Düsseldorf und hat damals behauptet: «Jeder Mensch ist Künstler». Frei nach ihm würde ich also sagen, mein Motto war: Jeder Mensch ist Professor. Ich nähere mich der Sache mit Respekt, aber eben auch nicht mit zu viel Respekt. Und so bin ich da voller Freude und Leidenschaft in den Hörsaal gegangen und hatte nichts dabei ausser Bücher, Texte, Gedichte, die ich ergreifend und beeindruckend fand, die mein Leben beeinflusst haben und auch mein Schaffen als Texter.

Du hast in jungen Jahren an der Universität Düsseldorf ein paar Vorlesungen besucht. Doch dann hast du abgebrochen. Dennoch hast du Spuren an der Uni hinterlassen: « Die Toten Hosen» gaben in der Mensa in den 80er-Jahren ein legendäres Konzert.

Ja, damals war wirklich eine heftige Party im Gange! Es wurden die ganzen Lampen von den Decken geholt, die Toiletten aus den Wänden gerissen, es sah nach einem ordentlichen Schlachtfeld aus. Die Mensa war nicht mehr wiederzuerkennen und ich habe schon schwer mit Hausverbot gerechnet. Aber man war mir wohlgesonnen und liess mich trotzdem noch als Gastprofessor kommen. Ich war es schliesslich auch nicht, ich stand ja auf der Bühne.

Ein Mann vor der Aufschrift: Campino, Kästner, Kraftwek, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik
Legende: Campino während der Vorlesung. Keystone/Oliver Berg

Deine Eltern hätten es gerne gesehen, wenn du zu Ende studiert hättest. Es hätte sie sicher gefreut zu sehen, dass du es doch noch an die Uni geschafft hast.

Ja, ich glaube, die hätten sich gefreut. Vielleicht haben sie es doch irgendwie mitgekriegt. Wenn es solche Momente gibt, dann denke ich oft an meine Eltern. Ich kommuniziere im Geiste auch immer noch mit ihnen, indem ich mir bei schwierigen Fragen überlege: Was würden die jetzt zu deinem Verhalten sagen? Was würde mein Vater mir hier für einen Rat geben? Ich muss ihn ja nicht annehmen, aber ich spiele das immer wieder durch und deshalb sind die quasi auch noch hier. Die Menschen sind erst dann weg, wenn wir nicht mehr an sie denken.

Du bist 61-jährig, kürzlich feierten «Die Toten Hosen» das 40-jährige Bandjubiläum mit einem Album und einer Tour. Was kommt jetzt?

Wir treffen uns mit der Band regelmässig, um neue Stücke zu schreiben. Das macht grossen Spass. Aber es gibt keine konkreten Pläne, wann wir wieder live spielen oder wann eventuell ein Album aufgenommen wird. Es tut auch gut, einmal einen so offenen Kalender zu haben, ohne viele Eintragungen.

Wir können noch immer unser bestes Lied schreiben, wenn wir Glück haben. Deshalb gibt es uns noch.

Sind «Die Toten Hosen» eine Band, die eine gross angekündigte Abschiedstour machen würde? Oder wäre einfach plötzlich fertig?

Ich mag es lieber zu agieren als zu reagieren. Also, dass wir nicht erst dann aufhören, wenn uns das Publikum nicht mehr hören möchte, sondern dann, wenn die Leute noch da sind. Ich bin eher für die Lösung «Abschiedstour». Dass wir versuchen zu erspüren, wann wir unseren Zenit in jeder Form überschritten haben. Dass wir körperlich nicht mehr so drauf sind wie vor 30 Jahren, ist klar. Aber unsere Gedanken können theoretisch noch immer die Gedanken eines 30-Jährigen toppen. Wir können noch immer unser bestes Lied schreiben, wenn wir Glück haben. Und deshalb gibt es uns noch. Aber wenn wir zur Einsicht kommen, da kommt nichts mehr, dann wäre es schön, wenn wir die Ersten sind, die es bemerken und dann auch freiwillig gehen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Tagesgespräch, 13 Uhr; 04.04.2024 ; 

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