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Vor den Wahlen in Österreich So schlägt sich die österreichische Wirtschaft

Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist aktuell durchzogen und definitiv weniger süss als Sachertorte. Ein Überblick.

Dank Sissi, Sachertorte und Tourismus weltbekannt: Österreich. Doch wovon lebt das Schweizer Nachbarland mit ähnlich grosser Bevölkerung und Wirtschaftsstruktur sonst noch? Ein Viertel der Wertschöpfung kommt in beiden Ländern von der Industrie. Ein Viertel machen in Österreich Tourismus und Handel aus, in der Schweiz sind es 20 Prozent.

Die Schweizer haben kaufkraftbereinigt ein um einen Viertel höheres Einkommen als die Österreicher.
Autor: Marcus Scheiblecker Institut für Wirtschaftsforschung Wifo, Wien.

Im Einzelnen gebe es aber durchaus Unterschiede, sagt Marcus Scheiblecker vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien. Und auch im Ergebnis: «Man kann sagen, dass die Schweizer kaufkraftbereinigt rund einen Viertel mehr Einkommen haben als die Österreicher.»

Keine Pharma, aber andere grosse Namen

Was Österreich im Unterschied zur Schweiz fehlt, sind die Pharmaindustrie und richtig grosse Player. Doch es gibt zahlreiche Unternehmen, die im Verhältnis zu ihrer Grösse auf dem Weltmarkt führend sind. Da sind etwa Europas grösster Motorradhersteller KTM, der Kristallglas-Konzern Swarovski oder der Milliardenkonzern Red Bull, der fast zur Hälfte in österreichischem Besitz ist. Sie tragen alle viel zur Wertschöpfung bei.

Ein Faktor ist die Weltmarke Glock, die auch US-Polizeikräfte mit Pistolen beliefert. Oder Frequentis als Anbieter von Fluglotsensystemen hat den grössten Marktanteil in den USA. Nicht zu vergessen ist der weltweite Liftbauer Doppelmayr, alle weniger bekannt und kleiner, aber mit sehr hohem Weltmarktanteil.

Wettbewerbsfähiger als Deutschland

Bei der industriellen Wettbewerbsfähigkeit muss sich Österreich nicht verstecken. Vor allem nicht vor Deutschland, wie eine neuere Wifo-Studie zeigt. Abgesehen von der Pharmaindustrie ist Österreich genauso wettbewerbsfähig wie jene von Dänemark, ein bisschen schlechter zwar als die Schweiz, aber deutlich besser als Deutschland, wo vor allem die Autoindustrie leidet.

Generell leidet Österreich unter hohen Energiepreisen: «Wir stecken zurzeit in einer Wirtschaftskrise. Die Nachfrage aus dem Euroraum und der EU nach Maschinen lahmt, und die Zinsen sind sehr hoch», so Scheiblecker.

Wie innovativ ist Österreich?

Die öffentliche Verwaltung sei dagegen sehr digital, sagt der Experte. Als Beispiele nennt er die elektronische Signatur für Volksbegehren. Amtswege, etwa für Reisepass, Fahr- oder Zulassungsausweise, lassen sich in App-Form elektronisch tätigen. Woran es allerdings ein bisschen mangle, sei die Aufnahmebereitschaft der privaten Haushalte.

Sachertorte
Legende: Profitiert hat Österreich vom Beitritt zur EU und zum Binnenmarkt. Laut einer Studie zum Zehn-Jahre-Jubiläum von 1999 stieg das BIP um 15.6 Prozent, wobei in diesem Zeitraum auch die Bevölkerung um über eine Million zulegte. Heute zählt Österreich rund 9.2 Millionen Menschen. Imago/Depositphotos

Bei den Start-ups glänzt Österreich nur matt. Die meisten seien Spin-offs aus den Universitäten, die nicht mit Hochschulen in den USA oder auch in der Schweiz konkurrieren könnten.

Österreich ist sehr stark darauf fokussiert, Bestehendes zu bewahren und denkt nicht grundsätzlich unternehmerisch.
Autor: Markus Raunig Chef Austrian Start-ups

Markus Raunig, Chef von Austrian Start-ups, einem Thinktank für innovatives Unternehmertum, ergänzt: «Wir haben grundsätzlich das Problem, dass Österreich vom Mindset her stark darauf fokussiert ist, das Bestehende zu bewahren und nicht grundsätzlich unternehmerisch denkt.» Er verweist auf den Global Entrepreneurship Monitor GEM, der Österreich ein schlechtes Zeugnis ausstellt: «Laut GEM haben wir die drittschlechteste unternehmerische Bildung in den Schulen.»

In Sachen EU-Förderung versus Innovationsdynamik kommt Scheiblecker zu einem sehr interessanten Schluss: «Dass man sich im Förderwesen auskennt, ist wahrscheinlich mehr wert als irgendeine Innovationskraft.» Das gelte aber wohl für die gesamte EU, um gute Geschäfte machen zu können.

Das russische Gas für Österreich

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Österreich bezieht noch immer 90 Prozent seines Gases aus Russland. Noch bis vor wenigen Tagen bezeichnete die nationale Sicherheitsstrategie Moskau als «strategischen Partner». Sehr zur Irritation von Brüssel und Washington. Neu stuft Österreich Moskau als konventionelle und hybride Bedrohung ein und will bis 2027 aus dem russischen Gas aussteigen, um Putins Krieg nicht weiter zu finanzieren.

Österreich macht allerdings den Vorbehalt, dass der Ausstieg aus russischem Gas «unter Berücksichtigung der Leistbarkeit» für Private und Wirtschaft erfolgen werde. Die österreichische Wirtschaft hat langfristige Verträge mit Gazprom bis 2040, doch möglicherweise wird die letzte offene Pipeline durch die Ukraine schon Ende Jahr geschlossen.

Österreich hat zurzeit seine Gasspeicher auf einem Rekordstand zu 92 Prozent gefüllt. Der Gaskonsum geht laufend zurück, und die Gaspreise sinken. Die Reserven würden 400 Tage ausreichen, womit Österreich kurzfristig nicht von Moskau erpressbar sei, erklärt Marcus Scheiblecker vom Institut für Wirtschaftsforschung Wifo in Wien.

SRF 4 News aktuell, 09.09.2024, 07:18 Uhr

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