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Vorstösse in der Ukraine Darum ist die ukrainische Armee in der Defensive

Russland rückt im Osten vor. Schrittweise Waffenlieferungen an die Ukraine ändern daran wenig. Die Übersicht.

So steht es um die russischen Vorstösse: Russland kontrolliert bisher etwa ein Fünftel des Staatsgebiets der Ukraine. In den letzten Wochen verkündete die russische Armee immer wieder Einnahmen von Dörfern im Osten, in der Mitte der Donbassfront. Laut dem Militärexperten und Historiker Markus Reisner marschiert Russland mittlerweile pro Tag einen Kilometer vor. «Bei Otscheretyne ist es den Russen gelungen, über die letzten 14 Tage signifikant in die zweite ukrainische Verteidigungslinie einzubrechen.» Werden sie nicht aufgehalten, könne der Durchbruch gelingen – dieser käme wohl erst vor Pokrowsk zum Stehen.

Aus diesen Gründen gewinnt Russland aktuell an Land: «Nach der gescheiterten Offensive letzten Sommer hat die Ukraine 2024 das Jahr der Defensive ausgerufen», sagt Oberst Reisner. Nach der russischen Winteroffensive sei das Momentum diesen Sommer auf der Seite der russischen Armee. Auch waren die Ukrainer wegen des russischen Angriffs nördlich von Charkiw gezwungen, ihre Reserven aus dem Donbass Richtung Charkiw zu verlegen. «Diese Kräfte fehlen jetzt im Donbass.» Zudem wird immer wieder berichtet, dass es der Ukraine an Soldaten und Ausrüstung fehle.

Darum ist die Ukraine trotz neuen Waffenlieferungen in Bedrängnis: Viele verzögerte Lieferungen kommen nun in der Ukraine an. Doch die schrittweise Nutzung, etwa von Boden-Boden-Raketen, bringe die Machtverhältnisse kaum zum Kippen. «Weil das, was hereinkommt, immer wieder in so geringen Mengen verwendet wird, wird kein Übersättigungseffekt erzielt.» Heisst: Der Effekt ist nicht gross genug, um die russische Offensive einzustellen.

Die Zerstörung Russlands ist nicht das Ziel

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Nicht nur die begrenzten Waffenlieferungen sind immer wieder Thema, sondern auch, dass die Ukraine diese nicht frei einsetzen kann. Die Idee dahinter: Russland soll aus westlicher Sicht zwar besiegt, aber nicht zerstört werden. «Die USA haben kein Interesse daran, dass Russland in sich zusammenbricht», erläutert Militärexperte und Historiker Markus Reisner. «Denn was passiert dann zum Beispiel mit sechseinhalbtausend Atomwaffen?»

So ist die Situation in Russland: Auch die russische Seite habe ihre Probleme. «Russland hat zunehmend ein Ressourcenproblem», sagt Reisner. Jedoch sei dieses nicht so dringend wie das der Ukraine. «Sie haben, da sind Experten sich einig, zumindest noch die Ressourcen, um das aktuelle Niveau die nächsten zwei, drei Jahre aufrechtzuerhalten.» Während in der Ukraine immer wieder fehlende Soldaten zum Thema werden, habe Russland ein viel grösseres «Humanpotenzial». Erst kürzlich verdoppelte Russland etwa die Zahlungen für Einsätze an der Front, um mehr Freiwillige anzulocken.

Zwei Soldaten gehen durch einen schmalen, rauchigen Graben.
Legende: Ukrainische Soldaten bei einer Militärübung nähe Charkiw (22. Juli 2024). AP Photo / Andrii Marienko

Das sind die Zukunftsszenarien: «Russland versucht, der Ukraine einen Abnutzungskrieg aufzuzwingen.» Nach aussen scheine es so, als würde sich nicht viel tun. «In Wirklichkeit rattern aber die Zähler herunter, bis dann eine Seite zu einem raschen Durchstossen kommt.» Zwar sei dies laut Reisner noch lange nicht so weit. Aber: «Wir sehen, dass auch hier der Zähler sich zuungunsten der Ukraine bewegt.» In Zukunft müsste die Ukraine entweder alles bekommen, was sie brauche, um Russland in die Schranken zu weisen – oder aber mit Russland einen Kompromiss schliessen.

Ein harter Winter in Sicht

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Der nächste Winter bringt Herausforderungen für die Ukraine. Die Ausgangslage sei denkbar schlechter im Vergleich zu vergangenen Wintern, sagt der österreichische Offizier Markus Reisner. Russland griff in den vergangenen Monaten gezielt Infrastruktur an, welche kritisch ist für die Versorgung der Bevölkerung. «70 bis 80 Prozent der kritischen Infrastruktur, vor allem der Heiz- und Wärmekraftwerke, sind zerstört.»

Darum ist der Krieg ein europäisches Problem: «Bis jetzt konnte man klar eine amerikanische Strategie erkennen: die amerikanische Vormachtstellung stärken.» Doch die amerikanische Politik werde zunehmend durch Innenpolitik dominiert. Auch die neue Präsidentschaft könnte einen Wendepunkt im Kriegsengagement der USA bringen. «Der Ukraine-Konflikt wird vor allem ein europäisches Problem.» Damit dränge sich eine gemeinsame europäische Strategie auf, die momentan fehle. «Wir müssen eine Entscheidung treffen, wie unsere Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussehen wird», sagt Markus Reisner.

Krieg in der Ukraine

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Tagesschau, 30.7.2024, 19:30 Uhr ; 

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