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Wählerfang am Ganges Wo sich Gläubige reinwaschen und Modi um die Massen buhlt

Die grösste Demokratie der Welt wählt. Indiens hindu-nationalistische Regierung nutzt jede Chance, um Stimmen zu holen.

An Spitzentagen kommen zehn Millionen Menschen an das Pilgerfest Kumbh Mela, wo die heiligen Flüsse Ganges und Yamuna zusammenfliessen. In ihren Kleidern tauchen die Pilger in das kalte Wasser und beten. Noch nie hätten sie eine derart gut organisierte Kumbh Mela gesehen, sagen drei Frauen, die gerade vom Gebet im Wasser zurückkehren.

Die Regierung von Uttar Pradesh, dem Gliedstaat, in dem die diesjährige Kumbh Mela stattfand, hat drei Mal mehr Geld investiert als je zuvor für das Pilgerfest. Sie hat pünktlich zum Start einen eigenen internationalen Flughafen bauen lassen und Strassen, damit man mit dem Auto bis zur Badestelle fahren kann.

Pilger waschen sich im Ganges
Legende: 230 Millionen Hindus haben sich die letzten zwei Monate an den Ufern der Flüsse Ganges und Yamuna von ihren Sünden reingewaschen. Und die Regierungspartei war immer ganz nah dabei. SRF/Thomas Gutersohn

Dass die Regierung damit potentielle Wähler anwerben möchte, glauben die drei Frauen nicht: «Nein, Das hat nichts mit den Wahlen zu tun», sind sie sich einig. Und dennoch: Über das ganze Gelände verteilt hängen Plakate von Premierminister Narendra Modi und seinem Parteikollegen Yogi Adityanath, dem Regierungschef von Uttar Pradesh.

Ein Geben und Nehmen

Dieser weiht auf dem Festivalgelände zudem eine Augenklinik ein. Bei seiner Stippvisite hält sich die Begeisterung der Besucher kaum in Grenzen: «Lang lebe Mutter Indien», wird gerufen, «lang lebe die Gottheit Rama!»

Männer in Roben
Legende: Die Verwaltung der Millionenstadt Allahabad im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh hatte für die Festivalwochen eine voll ausgestattete Zeltstadt auf einer Fläche von 35 Quadratkilometern für die Pilgermassen errichten lassen. Tom Gutersohn/SRF

Die Klinik ist ein riesiges Messezelt, eigens für das Pilgerfest aufgestellt. Darin geht es zu wie in einem Bienenstock. Unzählige Patientinnen und Patienten sitzen auf Plastikstühlen und warten, bis sie an der Reihe sind. In Dutzenden von kleinen Arztpraxen untersuchen Optiker im Akkord die Sehkraft der Patienten.

Die eigene Wählerbasis wird beglückt

Eine ältere Frau sitzt auf einem Stuhl und testet eine Brille. Der Optiker wechselt schnell die Gläser und fragt: «Sehen sie besser so, oder so?» 4000 bis 5000 Patienten werden hier jeden Tag behandelt, erklärt Augenarzt Rohit Agrawal: «Wir verschreiben ihnen Brillen und führen Augenoperationen durch. Alles gratis.» Dass die Regierungspartei BJP hinter dieser Aktion steht, weiss hier jeder.

Ramun Kumar Patel wird über den Lautsprecher aufgerufen, seine Brille abzuholen. Nur ein paar Minuten später öffnet er stolz ein safranfarbenes Brillenetui, die Farbe der Regierungspartei, darin liegt seine brandneue Brille.

Der Bauer ist überglücklich: «Ich habe gehört, dass sie hier Brillen verteilen, also bin ich hergekommen. Heute Morgen wusste ich noch nicht einmal, dass ich schlecht sehe – und jetzt habe ich schon eine neue Brille. Ich bin sehr glücklich.»

Ein neuer Flughafen, neue Strassen, Gratisbrillen und Augenoperationen – damit fängt fängt man Wählerinnen und Wähler. Und zwar ganz bestimmte. Die Kumbh Mela, das grösste Hindu-Fest, ist der ideale Ort für die hindu-nationalistische Regierungspartei, ihre Wählerbasis zu umgarnen.

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