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Wahl in Genf UNO-Menschenrechtsrat: Wo der Brandstifter zum Feuerwehrmann wird

Unrechtsstaaten haben beste Chancen ins UNO-Gremium gewählt zu werden – und geben das als Gütesiegel aus.

Eigentlich ist die Sache klar: Die UNO-Generalversammlung sollte am Dienstag fünfzehn Länder für die freiwerdenden Sitze im UNO-Menschenrechtsrat auswählen. Als Kandidaten infrage kommen dürften – gemäss der entsprechende Resolution – nur Länder, welche die Menschenrechte fördern und schützen und bei sich zuhause höchste Standards erfüllen.

Die Realität ist anders. Erstens: Die Generalversammlung hat im Grunde gar keine Wahl, weil die fünf UNO-Ländergruppen, welche die Vorauswahl treffen, meistens bloss exakt so viele Länder auf den Wahlzetteln platzieren, wie ihrer Weltgegend Sitze zustehen. Die 193 UNO-Mitgliedländer wählen also nicht aus, sondern nicken bloss ab. Zweitens: Zur Wahl stehen auch Staaten wie China, Russland, Saudi-Arabien und weitere mit keineswegs blütenweisser Weste.

UNO-Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf
Legende: Der UNO-Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf sorgt dafür, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen geschützt werden und Menschenrechte eingehalten werden. Eigentlich. Keystone

Einer der prononciertesten Kritiker dieser Praxis ist Hillel Neuer, Chef der Nichtregierungsorganisation UN Watch. Er spricht von einem «schwarzen Tag für die UNO: «China, wo mehr als eine Milliarde von Menschen ohne Menschenrechte leben, wo Millionen muslimische Uiguren in Lager gesperrt sind. Kuba, ein Polizeistaat, Saudi-Arabien, das Frauen unterdrückt, Russland, das Journalisten unterjocht und Regimegegner vergiftet – just diese Länder sollen nun dafür sorgen, dass weltweit die Menschenrechte geachtet werden.» Das sei, so Neuer, als mache man den Brandstifter zum Feuerwehrmann.

Empörte Menschenrechtsorganisationen

UN Watch steht Israel nahe und den Vereinigten Staaten. Doch die Organisation legt oft den Finger auf wunde Punkte. Und im aktuellen Fall fordern auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, die International Federation for Human Rights und etliche weitere, dass zumindest die Wahl der übelsten Unrechtsstaaten wie China oder Saudi-Arabien verhindert werde.

Niemand verlangt, nur noch Musterschüler wie Norwegen zu wählen.
Autor: Hillel Neuer Geschäftsführer von UN Watch

Doch die westlichen Demokratien, darunter die Schweiz und die übrigen europäischen Länder, seien schwach und hätten Angst, mächtigen Staaten wie China die Stirn zu bieten, beklagt Neuer. Das Argument jener, die am Ende China und Co. wählen werden, lautet: Der Menschenrechtsrat dürfe nicht zu einem Klub westlicher Musterschüler werden, die dann im exklusiven Kreis über die anderen, die Fehlbaren diskutierten – was diese natürlich ignorieren würden.

Was tun?

Der UN-Watch-Chef empfiehlt einen Mittelweg: «Niemand verlangt, nur noch Musterschüler wie Norwegen zu wählen.» Richtig sei auch, dass Länder aus allen Kontinenten vertreten seien. Doch zumindest die Schlimmsten müsse man draussen halten. Warum aus Lateinamerika nicht Costa Rica statt Kuba wählen, fragt Neuer.

Er räumt auch ein: Es sei ein Fehler der Regierung von Donald Trump gewesen, dem Menschenrechtsrat den Rücken zu kehren. Die USA hätten drinbleiben und kämpfen müssen. Seit sie weg sind, erhalte China noch mehr Gewicht.

Feigenblatt für Unrechtsstaaten

Das Mindeste, was man ändern müsste: Wenn westliche Regierungen schon keinen Finger rührten, um die Wahl von Peking, Moskau oder Riad zu verhindern, dann müsste man ehrlicherweise auf Bedingungen für die Wahl verzichten. «Dann soll man zugeben, dass jedes Land Mitglied des Menschenrechtsrates werden darf – wie das bereits jetzt bei der UNO-Generalversammlung gilt.»

Auf diese Weise könnten die Mitglieder ihre Wahl zumindest nicht mehr als Gütesiegel ausgeben. Denn klar ist: China, Russland, Saudi-Arabien und andere Problemländer werden die Wahl schaffen.

Rendez-vous vom 13.10.2020, 12:30 Uhr

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