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Gewaltige Rückschritte Um die Menschenrechte steht es schlecht

Heute beginnt die Frühjahrssession des UNO-Menschenrechtsrates in Genf. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich besorgt. Die Menschenrechte seien unter Beschuss, klagte er heute in Genf. Und zwar längst nicht mehr nur in ein paar Diktaturen, sondern weltweit.

Natürlich geht es nicht überall um staatliche Folter oder um Sklaverei. Hingegen sind Menschenrechtsverletzungen wie Hass- und Hetzreden im Internet, Rassismus oder Antisemitismus auf einmal allgegenwärtig. Selbst in gefestigten Demokratien in Westeuropa.

Forderung nach deutlicheren Worten

Guterres' deutliche Worte entspringen seiner ehrlichen Überzeugung. Sie sind aber zugleich eine Reaktion auf lauter werdende Vorwürfe an seine Adresse. Menschenrechtsorganisationen und Journalisten erwarten vom UNO-Generalsekretär deutlichere Worte, auch die Nennung von Schuldigen. Neulich sprach ihn eine Journalistin auf einer Pressekonferenz am UNO-Hauptsitz direkt an auf sein Schweigen zu den chinesischen Umerziehungslagern für die muslimische Minderheit der Uiguren.

Guterres wehrte sich heftig, ja empört: Es stimme überhaupt nicht, dass er gegenüber dem chinesischen Regime nur auf diskrete Diplomatie setze. Anders als viele Staats- und Regierungschefs, die sich in Peking die Klinke in die Hand gäben, habe er sich nicht nur diskret im Aussenministerium kritisch geäussert. Sondern das Thema öffentlich aufgegriffen.

Dennoch gelingt es ihm nur schwer, den Eindruck zu zerstreuen, dass er sich weit stärker für politisch weniger umstrittene Themen wie Klimaschutz oder Entwicklung einsetzt als für die Menschenrechte. Zumal angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse unter den UNO-Mitgliedländern, auf dem Feld der Freiheits- und Menschenrechte kaum Lorbeeren zu holen sind.

Guterres nennt keine Namen

Heute in Genf bezeichnet er die Menschenrechte als das höchste Ziel der Menschheit. Aber auch jetzt kritisiert er kein einziges Land namentlich. Immerhin sagte Guterres, wirtschaftliche Besserstellung stille bei den Menschen nicht dauerhaft den Hunger nach Freiheit. Das kann zumindest als indirekte Kritik an Peking verstanden werden.

Es sind wichtige Worte. Bloss: Die Realität in der UNO ist eine andere. Bei der Durchsetzung der Menschenrechte gibt es nicht nur keine Fortschritte. Es gibt sogar gewaltige Rückschritte. Besonders China führt einen regelrechten Feldzug innerhalb und ausserhalb der UNO gegen die Freiheitsrechte. Und macht gewaltig wirtschaftlich und politisch Druck, damit sich weitere Staaten dieser Haltung anschliessen.

UNO als Abbild der Welt

Die UNO-Menschenrechtspolitik ist das Stiefkind in der Weltorganisation: Weniger als vier Prozent des UNO-Budgets fliessen hierhin. Der Menschenrechtsrat erfüllt die Hoffnungen bei weitem nicht. Die UNO-Menschenrechtspolitik steht in kräftigem Gegenwind. Die Gegner, autoritäre und halbautoritäre Regime, treten immer selbstbewusster auf, die Befürworter wirken zunehmend kraft- und mutlos.

Das Grundproblem der UNO: Sie ist nicht das Vorbild der Welt. Sie ist deren Abbild.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, 24.02.2020, 14:00 Uhr; bers

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