Zum Inhalt springen

Wahlen Down Under In Australien bahnt sich ein Machtwechsel an

Stimmen die Prognosen, verliert die konservative Regierung von Premierminister Scott Morrison am kommenden Wochenende die Parlamentswahlen zugunsten der oppositionellen Laborpartei unter ihrem Chef Anthony Albanese.

Scott Morrison ist nervös. Alle Auguren sagen, seine seit neun Jahren regierende konservative Koalition aus liberaler und nationaler Partei werde am Samstag verlieren. Wer künftig die Regierung stellen will, muss 76 der 150 Sitze des Unterhauses kontrollieren.

Doch ob die oppositionelle Laborpartei unter ihrem Vorsitzenden Anthony Albanese eine absolute Mehrheit erreichen kann, ist unklar. Bis zu 15 unabhängige Kandidierende stellen sich zur Wahl. Wenn es nur zwei oder drei ins Parlament schaffen, muss jene Grosspartei mit den Unabhängigen über eine Koalition verhandeln, welche die meisten Stimmen erhalten hat. In Australien herrscht Wahlpflicht.

Serie von Sexskandalen

Der 54-jährige Morrison hat vor allem bei Frauen kaum noch Rückhalt. Auf eine Serie von Sexskandalen – von einer Vergewaltigung im Parlamentsgebäude durch einen jungen Regierungsmitarbeiter bis hin zum Missbrauch einer Untergebenen durch einen Minister – reagierte der Politiker laut Kritikerinnen paternalistisch, ja frauenfeindlich. Bisher wurden keine Täter zur Verantwortung gezogen.

Morrison
Legende: Schneidet bei Frauen schlecht ab: der konservative Amtsinhaber Scott Morrison. Keystone

Der Fokus auf die Person Morrison und seinen Herausforderer Albanese in einem immer präsidialer anmutenden Wahlkampf lässt die Debatte von Sachthemen zu kurz kommen. Morrison hat dem wachsenden Teil der Bevölkerung wenig anzubieten, der unter den eskalierenden Lebenshaltungskosten leidet.

Eine Inflationsrate von 5.1 Prozent, die höchste in 20 Jahren, hat die australische Notenbank jüngst dazu veranlasst, den Zinssatz zum ersten Mal in zehn Jahren wieder zu erhöhen, von 0.1 auf 0.35 Prozent. Analysten erwarten einen Satz von 3.5 Prozent bis 2025.

Hilfe beim Hauskauf in Aussicht

Für viele Familien ist das eine deutliche Belastung ihres ohnehin strapazierten Budgets. Australische Haushalte gehören zu den am stärksten verschuldeten der Welt. Ein wesentlicher Grund sind die in den letzten Jahren drastisch angestiegenen Immobilienpreise.

Selbst in Vororten der Grossstädte ist ein Haus kaum noch unter 1.5 Millionen australischen Dollar (1.04 Millionen Franken) zu haben. Gleichzeitig stagnieren die Löhne. Millionen von jungen Australierinnen und Australiern bleibt der Traum vom Eigenheim versagt.

Albanese
Legende: Der einstige Gewerkschaftsfunktionär Albanese, Herausforderer von Morrison, ist als Sohn einer alleinerziehenden Mutter in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Keystone

So erstaunt wenig, dass Morrisons Gegenspieler Albanese unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns und Hilfe beim Kauf eines Hauses verspricht. Unter seiner Regierung werde Australien künftig mehr für den Schutz der Umwelt tun, verspricht dagegen Morrison.

Die von Klimaskeptikern und der mächtigen Kohleindustrie beeinflusste konservative Regierung blockiert seit Jahren ernsthafte Massnahmen zur Reduktion der Klimaemissionen. Im Gegenzug unterstützt sie Pläne für den Bau 110 neuer Kohleminen und Verarbeitungsanlagen.

Dabei leidet Australien wie kein anderer Industriestaat bereits unter den Folgen der globalen Erhitzung: Katastrophale Waldbrände und grossflächige Überschwemmungen haben in den letzten Jahren hunderte von Todesopfern und Sachschäden in Milliardenhöhe gefordert. Dem Great Barrier Reef droht als Folge steigender Wassertemperaturen die Zerstörung. 

Einfluss der Rohstoffindustrie

Beobachter glauben allerdings nicht, dass Albanese kurzfristig den Einfluss der mächtigen Rohstoffindustrie auf die Politik reduzieren könnte. Nur Druck aus dem Ausland werde Australien dazu zwingen können, die Förderung von Kohle zu beenden, wie es Wissenschaftler fordern. Das Land könnte seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Quellen wie Sonne- und Windkraft decken.

Murdoch als «Gefahr für die Demokratie»

Box aufklappen Box zuklappen
Murdoch
Legende: Rupert Murdoch, in Australien geboren, übernahm mit 22 Jahren das väterliche Medienunternehmen. Keystone

Dass die konservative Regierung am 21. Mai ihre Macht verlieren könnte, ist umso bemerkenswerter, weil sie seit Jahren die offensichtliche Unterstützung der konservativen Medien geniesst. 70 Prozent aller Druckmedien sind in der Hand des 91-jährigen erzkonservativen Amerikaners Rupert Murdoch.

Im Vorfeld der Wahlen avancierte die Berichterstattung in den Murdoch-Medien zur reinen Propaganda. Zeitungen porträtieren Albanese als naiv und inkompetent. Titelseiten zeigen den Labor-Chef und potenziellen künftigen Premier als Dorftrottel mit heraushängender Zunge. Morrison dagegen sei eine stete Hand, so die Murdoch-Reporter, «langweilig zwar, aber bedächtig, erfahren».

Gegen den offensichtlichen Einfluss des Murdoch-Konzerns auf die australische Politik wächst Widerstand. Zwei ehemalige Premierminister unterschiedlicher politischer Couleur fordern in einer Petition eine Untersuchung der Medienkonzentration durch eine staatliche Kommission. Der Ex-Labor-Premierminister Kevin Rudd bezeichnet den Einfluss der Murdoch-Medien in Australien als «Gefahr für die Demokratie».

Sein ehemaliger konservativer Gegenspieler, Ex-Premierminister Malcolm Turnbull, meinte jüngst, News Corp und Murdoch hätten «einen enormen Schaden angerichtet an westlichen Demokratien wie Australien und Amerika». Besonders beim Thema Klimawandel: Seit Jahren polemisierten die Murdoch-Papiere gegen Klimaschutz und zugunsten der klimaschädigenden Kohleindustrie.

SRF 4 News, 18.05.2022, 06:50 Uhr

Meistgelesene Artikel