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Wahlen im Osten Die AfD lehrt Deutschland das Fürchten

Es ist heiss an diesem Nachmittag Ende August in Lübben. Auf dem Marktplatz der brandenburgischen Kleinstadt spielen Kinder im Brunnen, Eltern und Grosseltern essen Eis, die Stimmung ist friedlich.

In den Cafés am Rande des Platzes sitzen Schaulustige und Zaungäste, als das AfD-Spitzenpersonal einfährt, begleitet von grimmigen, glatzköpfigen Sicherheitsmännern. Die Szene wirkt surreal.

Wenig später werden die AfD-Politiker auf der Bühne aggressiv und polemisch ein Zerrbild der Realität zeichnen, immer in den Grenzen des juristisch Sagbaren. Sie hetzen gegen «so genannte Flüchtlinge», die in Wahrheit «Messerstecher» und «Massenvergewaltiger» seien und Deutschland «islamisieren» wollten.

«Stasi-Methoden wie in der DDR»

Deutschland «unterwerfe» sich, verbiete der eigenen Bevölkerung mit «Stasi-Methoden» den Mund und «unterdrücke» gezielt die Opposition wie damals in der DDR. Spitzenmänner der AfD ziehen verächtlich über die politische Konkurrenz her, minutenlang, es wird persönlich. Die Menschen auf dem Marktplatz jubeln.

Diese Partei ist es also, die nun mehr als jeder vierte in Sachsen und mehr als jeder fünfte Brandenburger gewählt hat. Rund ein Fünftel der AfD-Wähler sind ehemalige NPD-Wähler, die eine vielversprechende neue Heimat gefunden haben. Die übrigen fühlen sich zu Unrecht in die rechte Ecke gedrängt, bloss weil «man mal sagt, was man denkt».

AfD ist zur Volkspartei aufgestiegen

Die Spitzenleute der AfD werden nicht müde, sich selbst als «national-konservativ» zu bezeichnen. Dabei setzen sie fast ausschliesslich auf rassistische Propaganda und nutzen den Riss, der durch die Gesellschaft zu gehen scheint, für ihre Zwecke. Männer wie Andreas Kalbitz, Björn Höcke oder Jörg Urban sind es, die in Interviews Geschmeidigkeit pflegen, vor ihren Anhängern aber zu Brandstiftern werden.

Sie schüren Ängste bei denen, die sich ohnehin benachteiligt fühlen, nicht ernst genommen als «Ossis». Nun haben es die «Ossis» den regierenden Parteien, der CDU in Sachsen und der SPD in Brandenburg, gezeigt. Beide waren seit der Wende an der Macht. Sie bleiben es zwar, aber ihre Zeit als unangefochtene Platzhirsche ist seit heute vorbei. Die AfD ist zur Volkspartei aufgestiegen.

Aufwind für Radikale in der AfD

Daran sind die regierenden Parteien nicht unschuldig. Die Stärke der AfD ist auch deren Schwäche. Die Wählerinnen und Wähler wollten kein «Weiter so». Das Vertrauen in die Regierung, die grossen Herausforderungen der Zeit bewältigen zu können – etwa den bevorstehenden Kohleausstieg oder die Strukturschwäche vieler Regionen – scheint angeschlagen.

Auch über die beiden Bundesländer hinaus ist diese Wahl ein Paukenschlag: Der AfD können weder Spendenskandale, interne Machtkämpfe noch ihre völkische Gesinnung etwas anhaben. Das Resultat muss eine Genugtuung sein für die AfD, und es verleiht jenen in der Partei Aufwind, die für einen radikal rechten Kurs stehen.

Sie sind es, die die AfD in Brandenburg und Sachsen zum Sieg geführt haben. Und sie werden Deutschland auch darüber hinaus das Fürchten lehren.

Bettina Ramseier

Deutschland-Korrespondentin, SRF

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Bettina Ramseier ist SRF-Korrespondentin in Berlin. Sie ist seit 15 Jahren TV-Journalistin: Zuerst bei TeleZüri, danach als Wirtschaftsredaktorin bei SRF für «ECO», die «Tagesschau» und «10vor10».

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