Bosnien wird von drei nationalistischen Parteien regiert, die je eine der drei grossen Volksgruppen auf autoritäre Art dominieren: die muslimischen Bosniaken, die orthodoxen Serben und die katholischen Kroaten. Bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen vom Wochenende stellt sich die Frage, ob die Parteien ihre Macht bewahren können. Ihr Leistungsausweis ist nämlich miserabel.
Lange Jahre hat Senad Sepic Karriere bei SDA (Partei der demokratischen Aktion) gemacht. Das ist die grosse nationalistische Partei, die unter den muslimischen Bosniaken den Ton angibt. Er kennt das System von innen: «Eine kleine Gruppe an der Spitze der Partei missbraucht ihre Macht und arbeitet ausschliesslich in ihrem persönlichen Interesse», sagt Sepic.
Bosniens Wirtschaft liegt am Boden, weil sich die politische Elite bei den Privatisierungen seit dem Krieg schamlos bereichert hat. Weil sie mit korrupten Geschäften die Staatskasse fortlaufend plündert und weil Justiz und Polizei in ihrem Dienst einfach zuschauen.
Machterhalt durch Dauerstreit
Von der systematischen Korruption lenken die herrschenden drei nationalistischen Parteien ab, indem sie dauernd die Angst vor den anderen Bevölkerungsgruppen schüren: «Diese nationalistischen Themen nützen immer allen drei Machtzirkeln», erklärt Sepic. Je mehr die Spannungen angeheizt werden, desto leichter können sie sich als jeweils einzige wahre Verteidiger der bosnischen, serbischen oder kroatischen Sache in Szene setzen.
Sepic ist vor einem Jahr aus der SDA ausgetreten und bietet jetzt mit einer neuen Partei eine gemässigte Alternative an. Er ist nicht allein. Gleich mehrere weitere bekannte SDA-Figuren sind in letzter Zeit abgesprungen und treten mit eigenen Listen an. Die Wahl wird zeigen, ob diese neue Mitte die bisherigen nationalistischen Machthaber verdrängen kann. Dazu müsste sie mit den eher linken, antinationalistischen Parteien zusammenspannen.
Massive Wahlmanipulationen erwartet
Der unabhängige Politbeobachter Slaven Kovacevic in Sarajevo zweifelt daran, dass die neuen Parteien tatsächlich für eine sauberere Politik stehen: «Jetzt kämpft Sepic gegen Korruption, für den Rechtsstaat. Als er in der SDA war, tat er das nicht», sagt Kovacevic. Dieser Widerspruch mache ihn misstrauisch.
Kovacevic misstraut auch den Parteien, die sich unter Serben und Kroaten als gemässigte nationalistische Alternative anbieten. Er glaubt aber, dass die bisherigen Machthaber angesichts dieser Alternativen Angst um ihre Macht haben. Darum rechnet er bei den Wahlen dieses Jahr mit mehr Betrügereien als früher: Nur wenn möglichst viele an die Urne gingen, könne der Effekt dieser Manipulationen ausgeglichen und ein Machtwechsel ermöglicht werden.
Dass die von Arbeitslosigkeit und Armut geprägte Mehrheit in Bosnien die weitverbreitete Resignation aber überwindet, ist nicht wirklich zu erwarten.