In Dänemark kommt es zu einem Regierungswechsel. Die Sozialdemokraten gewinnen die Parlamentswahlen mit fast 26 Prozent. Die Liberalen, die bisher die Regierung stellten, kommen auf rund 23 Prozent. Der liberale Regierungschef Lars Lokke Rasmussen hat seine Niederlage noch am Abend der Wahl eingeräumt und den Rücktritt seiner Regierung angekündigt. SFR-Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann erläutert, wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist.
SRF News: Wieso haben sich die Dänen für einen Machtwechsel entschieden?
Bruno Kaufmann: Die Däninnen und Dänen sind ein ängstliches Volk. Lange hat die Angst vor Ausländern die Politik geprägt. Nun ist eine neue Angst da, die vor dem Klimawandel. Das hat den Ausschlag für die neue Ausrichtung des dänischen Parlaments gegeben.
Es hat sich gezeigt, dass die dänische Volkspartei die Klimafrage völlig unterschätzt hat.
Die Rechtspopulisten sind die grossen Verlierer dieser Wahl. Sie erreichen keine neun Prozent mehr, nach über 20 Prozent bei der Wahl vor vier Jahren. Wieso ist die Partei so eingebrochen?
Sie hat ihre Magie verloren. Auch die Furcht vieler Däninnen und Dänen ist verflogen. Schon bei der Europawahl vor wenigen Tagen hat die Partei drei Viertel ihrer Sitze verloren. Das Thema Ausländer ist nicht mehr so wichtig in Dänemark, weil kaum Ausländer nach Dänemark gekommen sind. Es hat sich auch gezeigt, dass die dänische Volkspartei die Klimafrage völlig unterschätzt hat. Ihre Führerin Pia Kjærsgaard sagte vor wenigen Tagen, das sei einfach Klimaidiotie. Das ist nicht gut angekommen.
Die Parteichefin der Sozialdemokraten, Mette Fredriksen, wird Nachfolgerin von Rasmussen. Sie setzt auf höhere Sozialausgaben und auf eine harte Linie in der Ausländerpolitik. Ist Frederiksen links oder nicht?
Aus einer nordischen Perspektive ist sie klassisch links, denn die Sozialdemokraten nicht nur in Dänemark, sondern auch in Schweden, Norwegen oder Finnland, waren bis vor wenigen Jahrzehnten klar national – auch nationalistisch –ausgerichtet.
Man sagte gestern, die Wahl sei spannend gewesen, aber jetzt kommt es noch viel spannender.
Es war die Europa-Frage, die die grosse Zersplitterung der Sozialdemokratie ausgelöst hat. Was Mette Frederiksen vorschlägt, ist eine klassische, nordische, sozialdemokratische Politik, ausgerichtet auf den Nationalstaat.
Weiss man schon, mit wem die Sozialdemokraten regieren werden?
Frederiksen hat klar gesagt, sie möchte alleine regieren und eine sozialdemokratische Minderheitenregierung bilden. Das wird aber nicht einfach, weil es drei weitere Parteien gibt, die die Mehrheit im Parlament ausmachen. Es sind eine grüne Partei, eine linke Partei und eine liberale Partei. Mit diesen zusammen kann sie ein Programm machen, ohne sie in die Regierung zu holen. Es gibt zwar dafür eine dänische Tradition, aber die Erwartung dieser Parteien ist natürlich sehr gross. Sie wollen möglichst viel herausholen. Deshalb wird die Regierungsbildung sehr viel schwieriger werden. Man sagte gestern, die Wahl sei spannend gewesen, aber jetzt kommt es noch viel spannender.
Wird der Sieg der Sozialdemokraten die dänische Politik umkrempeln?
Es muss sich was tun. Es war eine Klima-Wahl. Man kann sagen: Die Roten haben die grünsten Wahlen in Dänemarks Geschichte gewonnen, mit dem Versprechen, dass die Wohlfahrt ausgebaut und das Wachstum gestärkt wird. Da beisst sich ein bisschen mit der sozialen Agenda des Zuwachses und mit den Herausforderungen der Klimapolitik. Es ist spannend, wie diese traditionalistisch ausgerichtete Sozialdemokratie mit dieser Frage umgeht und wo sie Mehrheiten schaffen wird.
Das Gespräch führte Roger Aebli.