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Wahlen in der Türkei Die Opposition ist ernüchtert – mit Erdogan ist weiter zu rechnen

Die Stimmauszählung gerät zum Wahlkrimi: Regierung und Opposition werfen sich am Sonntagabend stundenlang gegenseitig vor, das Wahlergebnis hinauszuzögern. Aus vielen Wahllokalen kommen über die sozialen Medien Aufnahmen von völlig verausgabten Wahlhelfern, die nach zehn- und mehrmaligem Auszählen der Stimmunterlagen mit dem Kopf auf den verschränkten Armen auf den Schulbänken liegen.

Denn wenn einerseits die Vertreter der Regierungsparteien immer wieder die Neuauszählung der Stimmen in den Wahlurnen verlangen, so bezichtigen die Wahlrepräsentanten der Opposition genau dies als billige Hinhaltetaktik. Fakt ist: Auch weit nach Mitternacht hat die staatliche Wahlkommission noch immer nicht den Überblick über Millionen von Stimmen.

Ernüchterndes Bild für die Opposition

Erst in den frühen Morgenstunden lichtet sich dann der Nebel. Für die Opposition um Kemal Kilicdaroglu zeigt sich ein ernüchterndes Bild. Präsident Recep Tayyip Erdogan kann sich bei diesen Präsidentschaftswahlen halten, auch wenn er die 50-Prozent-Hürde verfehlt.

Sowohl in seinen Hochburgen im Landesinneren und entlang der asiatischen Schwarzmeerküste als auch – und das überrascht – in grossen Teilen des Erdbebengebietes im Südosten des Landes, setzt sich der Präsident weiter durch.

Das Wunderpaket der sechs Parteien von nationalistisch-konservativ bis linksdemokratisch hat nicht gezündet. In den städtischen Hochburgen liegt das Oppositionsbündnis zwar vorne und kann an den Vorsprung bei den Kommunalwahlen vor vier Jahren anknüpfen. Doch weder in Ankara noch in Istanbul schafft Kemal Kilicdaroglu voraussichtlich 50 Prozent der Stimmen.

Erfolg trotz Krisen

Bei den gleichzeitigen Parlamentswahlen ist das Bild für die Opposition auch nicht gut. Die Regierungsparteien, die islamisch-konservative AKP und die ultranationalistische MHP, liegen auch hier vorne.

Trotz galoppierender Geldentwertung und rasant steigender Lebenshaltungskosten, trotz Jahrhundert-Erdbeben und kriegerischen Konflikten in der Region – eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in der Türkei setzt auch nach zwanzig Jahren weiter auf das für sie bewährte Rezept und das heisst Recep Tayyip Erdogan.

Kilicdaroglu konnte Vorsprung nicht halten

Der von einem aufreibenden Wahlkampf sichtlich gezeichnete Präsident geht jetzt in die Stichwahl. Für ihn ist das ein Erfolg und eine Niederlage zugleich. Einerseits ist der 69-Jährige diesmal zu einer zweiten Runde gezwungen. Andererseits hat die Opposition ihren so gefeierten Vorsprung aus den Vor-Wahl-Umfragen nicht einlösen können.

Mit Erdogan müssen die Menschen in der Türkei am Tag 1 nach dieser Wahl weiterhin ihre Rechnung machen – ob sie wollen oder nicht.

Philipp Zahn

Auslandredaktor

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Philipp Zahn ist Teil der TV-Auslandredaktion von SRF. Davor berichtete er als Korrespondent aus Italien, Griechenland und der Türkei. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

SRF 4 News, 15.05.2023, 09:00 Uhr

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