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Wahlen in Deutschland Im Wahlkampf mit der SPD in Brandenburg

Nach Thüringen und Sachsen könnte die AfD nochmals stark abschneiden. Dagegen wehren sich auch die Sozialdemokraten.

Regionalzug Berlin–Eberswalde. Gleis 5, es ist 5.32 Uhr. Johanna Steiner und Merle Diestel sehen so früh morgens beneidenswert frisch aus – und quatschen schon munter über den frisch gekürten Kanzlerkandidaten der CDU, Friedrich Merz.

Dieser sei für ihre SPD der beste Gegner. Schliesslich habe Merz kein Charisma – genau wie «ihr» Scholz.

Frühstückstüten für Passanten

Ankunft in Eberswalde. Es ist noch dunkel. Am etwas trostlosen Bahnhofplatz stehen schon eine Gruppe Helfer und Kandidat Kurt Fischer von der SPD.

Verteilt werden hier Frühstückstüten – mit Müsliriegel, Apfel und Süssigkeiten. Und natürlich einem Flyer, der für die Wahl Fischers wirbt. «Die Tüten werden sehr gern genommen», sagt eine der Helferinnen.

Am Sonntag wird in Brandenburg gewählt

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Im Osten Deutschlands wird gerade Politik neu geschrieben: Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenkecht BSW sind äusserst erfolgreich. Aber mit den beiden Parteien an den Rändern der Politlandschaft wollen die traditionellen Parteien entweder nicht zusammengehen oder haben sehr Mühe damit. Derzeit werden in Thüringen und Sachsen Gespräche für mögliche Regierungen geführt. Am Sonntag wählt das Bundesland Brandenburg. Und auch dort liegt die AfD laut Umfragen an der Spitze und bedrängt damit die SPD, die in den letzten vier Jahren mit Dietmar Woidke den Ministerpräsidenten gestellt hat.

Im Wahlkampf gehe es um viel Psychologie, stellt Johanna Steiner fest. «Es ist derzeit eine allgemeine Tendenz: Das Gefühl bestimmt – und nicht die Ratio.» Man könne das zwar traurig finden, aber es bleibe nichts anderes übrig, als mit diesen Voraussetzungen zu arbeiten.

«Wir müssen schauen, dass wir mit möglichst vielen Leuten vor Ort sind, um den Menschen ein positives Bild zu vermitteln.» Schliesslich gehe es darum, dass diese an der Urne dann SPD wählten.

Früher seien sie noch mit Programmen unterwegs gewesen, jetzt sind das noch kleine Faltblättchen. «Den Leuten geht es nicht um Inhalte. Sie wählen Personen», stellt Steiner fest. «Oder es geht ihnen ums Prinzip – dann wählen sie AfD.»

Mit Scholz werben – sicher nicht

SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke ist in Brandenburg sehr beliebt. Gewinnt er die Wahl nicht, will er abtreten. Kandidat Kurt Fischer spürt eine Dynamik: «Diese Zuspitzung hilft uns – und motiviert das eigene Lager», sagt er.

Auch kämen immer wieder Leute an die Infostände, die eigentlich Grüne oder die Linke wählen, nun aber aus Angst, dass ihre Stimme wirkungslos wird, diese der SPD geben wollten.

Woidke weigert sich, mit Kanzler Olaf Scholz Wahlkampf zu machen. Offenbar wirkt der Kanzler mit seiner Unbeliebtheit geradezu toxisch.

Dazu sagt Johanna Steiner: «Wir sind ja nicht unkritisch. Auch wenn wir mit Scholz nicht einverstanden sind, setzen wir uns für die Grundwerte der SPD ein.» Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität. Dafür seien sie unterwegs.

Es geht doch auch um Konkretes!

Der Diskussion, ob Scholz bei der nächsten Bundestagswahl der richtige Kandidat als Kanzler sei, könne sie nicht viel abgewinnen, sagt Merle Diestel. «Vielleicht könnten wir uns im verbleibenden Jahr bis zu Bundestagswahl auf die Politik konzentrieren – und darauf, was wir umsetzen.»

In den letzten drei Jahren unter Scholz sei ja schon viel passiert – und jetzt habe seine Bundesregierung ja noch immer ein Jahr Zeit, viel zu tun.

Doch für den brandenburgischen Wahlkampf läuft die Zeit aus. Was, wenn die AfD siegt und Dietmar Woidke geht? «Das ist unvorstellbar – wer soll es denn sonst machen?», fragt Johanna Steiner – und kümmert sich schnurstracks wieder um die Passantinnen und Passanten.

Rendez-vous, 20.9.2024, 12:30 Uhr

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