Marine Le Pen, Emmanuel Macron oder doch François Fillon: Wer tritt die Nachfolge von François Hollande als Präsident oder Präsidentin von Frankreich an? Noch nie waren so viele Franzosen unentschlossen, wessen Namen sie in die Urne werfen sollen.
Die jüngste Umfrage zeigt: Der erste Wahlgang in einer Woche wird spannend. So liegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Sozialliberale Emmanuel Macron mit jeweils 22 Prozent gleichauf. Auf Rang drei folgt der Linke Jean-Luc Mélenchon mit 20 Prozent, vor dem bürgerlich-konservativen François Fillon mit 19 Prozent.
Kriterien, Regeln, Statistiken
Selten hat sich ein Wahlkampf-Karussell so schnell gedreht wie das französische. Favoriten entpuppen sich als Rohrkrepierer, Aussenseiter werden zu Senkrechtstartern – und wieder hat es niemand kommen sehen, denn Umfragen liegen immer öfter meilenweit daneben. Was tun sie denn, die Demoskopen?
«Wir bilden ein Modell, bestehend aus verschiedenen Kriterien und soziodemographischen Strukturen der französischen Bevölkerung. Gleichzeitig wenden wir statistische Regeln an, um die Fehlerquote zu reduzieren», erklärt Jérôme Sainte-Marie, der Direktor von Pollingvox Paris.
«Umfragen sind pure Wahrsagerei, Astrologie.»
Wegen der Individualisierung der Bevölkerung stimmen heute allerdings längst nicht mehr alle Leute mit dem gleichen Einkommen, dem gleichen Hintergrund auch für den gleichen Kandidaten, ist der Politologe Thomas Guénolé überzeugt.
«Durch die Medialisierung des Wahlkampfs und die Umfragen entsteht eine alternative Realität, die nicht der Wählergunst entspricht», so Guénolé. Die Wählergunst sei durch Umfragen nicht messbar: «Umfragen sind pure Wahrsagerei, Astrologie. Man könnte auch eine Kuh oder ein Huhn opfern und in den Eingeweiden lesen, das käme aufs Gleiche heraus.»
Wie viele gehen nicht an die Urne?
Jean-François Doridot, Generaldirektor von «Ipsos», räumt ein, dass den Demoskopen die Flüchtigkeit des Wählerwillens zu schaffen macht. Doch in der Abbildung der Entwicklung des Stimmverhaltens würden sich die Umfragen selten irren. «Wenn es aber so eng wird, wie es zurzeit aussieht – alle Umfragen zeigen Unterschiede von einem oder eineinhalb Prozentpunkten oder Gleichstand –, dann kommen wir an die Grenzen mit dem Instrument der Umfragen.»
Die ganz grosse Unbekannte in dieser Wahl ist ohnehin die Stimmenthaltung. Viele werden erst gar nicht wählen gehen, sagen die Meinungsforscher, weil die Wählerschaft ganz einfach von der Auswahl im Angebot enttäuscht ist.
Die 11 Präsidentschaftskandidaten
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Bild 1 von 11Legende: Die Rechtspopulistin des Front National Marine Le Pen verspricht die wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Abschottung, um Frankreichs Probleme zu lösen. Der Stopp der Einwanderung ist ein zentrales Wahlkampf-Argument. Le Pen will, dass Frankreich den Euro abschafft und das Schengen-Abkommen kündigt. Keystone
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Bild 2 von 11Legende: Der junge politische Aufsteiger Emmanuel Macron positioniert sich bewusst weder links noch rechts und will die französische Politik grundlegend erneuern. Sein Programm setzt auf Europa. Er hat keine eigene Partei im Rücken, sondern setzt mit seiner Bewegung En Marche! auf mehr Engagement der Zivilgesellschaft und Unternehmer. Keystone
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Bild 3 von 11Legende: Der Spitzenkandidat der bürgerlichen Rechten François Fillon vertritt ein klar wirtschaftsliberales Programm und will die öffentlichen Ausgaben massiv senken. Er sieht sich als Sanierer des französischen Haushaltes. Er geriet im Wahlkampf in Verruf, als bekannt wurde, dass er über Jahre seine Frau und Kinder scheinbeschäftigt haben soll. Keystone
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Bild 4 von 11Legende: Jean-Luc Mélenchon ist der älteste unter den wichtigsten Kandidaten. Der von der kommunistischen Partei (PCF) unterstützte Anwärter ist ein Europakritiker. Er will über die europäischen Verträge neu verhandeln und über das Resultat in einem Referendum abstimmen lassen. Mélenchon will mehr soziale Umverteilung erreichen von «oben nach unten». Keystone
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Bild 5 von 11Legende: Der ehemalige Bildungsminister Benoît Hamon war Teil der Regierung von Holland, bracht aber mit diesem und gesellte sich zum Lager der partei-internen Opposition. Er gehört zum linken Flügel der regierenden Sozialisten. Wichtigster Pfeiler seines Programms ist die Einführung eines Grundeinkommens. Keystone
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Bild 6 von 11Legende: Philippe Poutou von der Neuen Antikapitalistischen Partei prangert bei den bürgerlichen Kandidaten deren Scheinbeschäftigungen an. Keystone
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Bild 7 von 11Legende: Bereits 2012 kandidierte Nathalie Arthaud für die trotzkistische französische Linkspartei Lutte Ouvrière, deren Sprecherin sie ist. Keystone
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Bild 8 von 11Legende: Nach 1995 und 2012 tritt der Unabhängige Jacques Cheminade bereits zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidat an. Dem 76-Jährigen werden keine Chancen eingeräumt. Keystone
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Bild 9 von 11Legende: Jean Lassalle machte schon mehrmals auf sich aufmerksam: Der unabhängige Kandidat wanderte acht Monate durch Frankreich, um mit der Bevölkerung zu reden, trat für 39 Tage in einen Hungerstreik und unterbrach eine Rede von Nicolas Sarkozy, indem er eine Hymne anstimmte. Keystone
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Bild 10 von 11Legende: Nicolas Dupont-Aignan, der ehemalige Parteikollege von Nicolas Sarkozy und Alain Juppé, gründete 2007 ebenfalls eine eigene Partei. Auch er will einen Austritt aus der EU und die Wiedereinführung des Franc. Keystone
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Bild 11 von 11Legende: Der Rechtsnationalist François Asselineau gründete seine eigene Partei, die «Union Populaire Républicaine». Er glaubt, dass die Europäische Union Frankreich zum Stillstand gebracht hat und fordert den EU-Austritt. Keystone