Bei den Regional- und Lokalwahlen in England triumphiert die Partei von Boris Johnson. Die Tories können im Norden des Landes erneut zulegen. Der Sieg der Regierungspartei ist eine weitere schmerzliche Erfahrung für Labour und insbesondere auch für deren Chef Keir Starmer.
Wahlen seien mit einem Aufstieg auf einen Berg zu vergleichen, sagte Labour-Chef Keir Starmer. Der Versuch, seine Wählerschaft wortreich zu mobilisieren, hat offenbar wenig genützt – die Wahlen führten für Labour zum Absturz.
Ausgerechnet in Wahlkreisen im Norden Englands, die während Jahrzehnten sicheres Terrain für Labour waren, konnten die Tories erneut Erfolge verbuchen. Wie schon bei den Wahlen im Jahr 2019 muss die Labour Party dort eine weitere schmerzhafte Niederlage einstecken.
Impfprogramm als Wahlhelfer
Labour-Chef Keir Starmer ist in den vergangenen Monaten zwar immer wieder gelungen, den Premierminister in die Enge zu treiben. Der ehemalige Staatsanwalt führte Boris Johnson im Parlament regelmässig vor.
So auch vergangene Woche, als Vorwürfe laut wurden, der Premierminister habe sich die aufwändige Renovierung seiner Dienstwohnung in Downing Street 10 von Sponsoren finanzieren lassen. Ob es diese versteckte Form von Einflussnahme gegeben hat, konnte Johnson bis heute nicht schlüssig beantworten.
Heute zeigt sich jedoch, dass sich ausserhalb von London kein Mensch für die Tapeten des Premierministers interessiert. Die Leute in Grimsby, Hartlepool und Bishop Auckland wollen wissen, ob sie nach der Pandemie wieder einen Job finden und wann es mit ihrer Region endlich wieder aufwärts geht.
Die beste Wahlempfehlung war sicher das Impfprogramm: Keine andere Regierung in Europa hat ihre Bürgerinnen und Bürger so schnell und effizient geimpft wie die britische.
Labour versinkt weiter
Dem früheren Parteichef Jeremy Corbyn kann die Schuld für das heutige Desaster von Labour nicht mehr in die Schuhe geschoben werden. Seit einem Jahr ist Keir Starmer am Ruder. Er war mit dem Versprechen angetreten, die marode Partei wieder aus dem Sumpf zu führen.
Doch ein Jahr später scheint Labour noch tiefer zu sinken. Starmer wird deswegen unter Druck geraten. Insbesondere sein Kurswechsel vom linken Rand der politischen Landschaft hin zur Mitte wird parteiintern zu reden geben.
Tatsache ist jedoch, dass die Partei ihren Kontakt zu ihrer Wählerschaft längst verloren hat und Starmer wenig Möglichkeit hatte, ihn wieder herzustellen. Er hat die Parteiführung mitten in der Pandemie übernommen. Deswegen blieb er buchstäblich ein «Hors-Sol-Politiker». Denn mit Menschen zu sprechen oder ihnen die Hände zu schütteln, war praktisch nicht möglich.
Harte Zeiten für die Opposition
Die Pandemie hat das klassische Links-rechts-Schema zudem längst aufgelöst. Die Tories sind mittlerweile eine Partei, die ebenso ausgabefreudige Versprechen abgibt, wie die linke Labour Party. Während einer tödlichen Seuche Oppositionspolitik zu betreiben, ist zudem eine heikle Angelegenheit. Allein die Regierung zu kritisieren, kommt in solchen Zeiten bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut an.
Die Menschen wollen während einer nationalen Krise wissen, wohin die Reise geht und eine optimistische Botschaft hören. Diese konnte der charismatische Boris Johnson den Britinnen und Briten ganz offensichtlich besser vermitteln.