Keine drei Wochen mehr, dann wählt Italien ein neues Parlament. Nachdem die Regierung Draghi Mitte Juli überraschend gestürzt wurde, müssen die Italienerinnen und Italiener nun entscheiden, wie es weitergehen soll. Rund 40 Prozent sind laut Umfragen noch unentschlossen.
Drei Bündnisse unterschiedlicher Grösse stehen ihnen zur Auswahl: das Mitte-links-Bündnis, der sogenannte «Terzo polo» und das Mitte-rechts-Bündnis.
Das Mitte-links-Bündnis hat sich rund um den Sozialdemokraten Enrico Letta vom Partito Democratico (PD) gebildet. Zusammen mit den verbündeten Listen von Grünen und der italienischen Linken, aber auch mit Kleinstparteien wie beispielsweise «Mehr Europa» und «Impegno Civico» von Aussenminister Luigi Di Maio setzt Letta unter anderem auf den Umweltschutz, mehr Rechte für Minderheiten und ein starkes Europa.
Laut Umfragen könnte das Mitte-links-Bündnis knapp 30 Prozent erreichen. Nicht dabei im Centrosinistra sind die grossen Überflieger der Wahlen von 2018; die Cinquestelle. Obwohl die Fünf-Sterne-Bewegung und der PD in der Regierung Conte zusammengearbeitet haben, hat Letta ein Wahlbündnis mit Conte und den Cinquestelle dezidiert ausgeschlossen. Grund: Die Cinquestelle haben den Sturz der Regierung Draghi Mitte Juli zu verantworten – zusammen mit der Lega und der Forza Italia.
Zwischen den grossen Polen
Ein breites Wahlbündnis im Mitte-links-Lager ist dem Sozialdemokraten Letta allerdings nicht gelungen. Oder anders gesagt; es ist ihm nur für kurze Zeit gelungen.
Noch Anfang August hatten Letta und der ehemalige Wirtschaftsminister Carlo Calenda der linksliberalen Partei Azione die Zusammenarbeit für die Wahlen verkündet. Doch nur fünf Tage später stieg Calenda wieder aus – er war mit den anderen Bündnispartnern nicht einverstanden.
Inzwischen hat sich Calenda mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und dessen Italia Viva zusammengetan. Die zwei sehen sich als Alternative zu Mitte-links und Mitte-rechts – eben als Pol in der Mitte . Sie wären gerne das Zünglein an der Waage zugunsten der Linken und gegen die Rechte. Diesem «Terzo polo» werden laut Umfragen aber gerade mal fünf bis sieben Prozent vorausgesagt.
Mitte-rechts im Umfragehoch
Unschlagbar scheint derzeit das Mitte-rechts-Bündnis Centrodestra: das Bündnis von Giorgia Melonis Fratelli d’Italia, Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia. Die drei geben sich aktuell auffällig geeint. Obwohl Meloni mit ihrer extrem-rechten Partei Brüssel in Atem hält, macht sie zurzeit vor allem mit moderaten Tönen auf sich aufmerksam und betont ihre positive Haltung zur Unterstützung der Ukraine und zum atlantischen Bündnis Nato.
Doch die Fratelli d’Italia sind halt auch europaskeptisch, homophob und ausländerfeindlich. So könnte es bei einem Sieg von Mitte-rechts in Italien zu einem harten aussenpolitischen Kurs kommen – à la Ungarns Viktor Orbán oder Frankreichs Marine Le Pen. In ihrem Wahlprogramm verspricht das Centrodestra unter anderem aber auch tiefere Steuern, frühere Renten und den Stopp der illegalen Einwanderung. Dieses Programm scheint viele Italienerinnen und Italiener zu überzeugen.
Laut Umfragen soll das Mitte-rechts-Trio auf fast 50 Prozent kommen. Kommt hinzu, dass das italienische Wahlsystem, ein komplizierter Mix aus Majorz- und Proporzwahl, grosse Bündnisse begünstigt.