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Wahlen in Kenia «Viele haben die Städte verlassen und sind aufs Land geflohen»

Kenia wählt heute ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Die Lage sei angespannt, sagt SRF-Korrespondent Patrik Wülser. Es drohen Unruhen.

  • 20 Millionen Wahlberechtigte gehen heute zur Urne, um ihr Parlament und ihren Staatspräsidenten zu wählen. Es zeichnet sich ein enges Rennen zwischen dem Amtsinhaber Uhuru Kenyatta und dem Oppositionsführer Raila Odinga ab.
  • Sie haben sich einen erbitterten Wahlkampf geliefert, mit Hetzreden und üblen Verleumdungen von beiden Seiten. Bisher kam es bei fast allen Wahlen in Kenia zu Ausschreitungen, vor zehn Jahren gar zu einer Gewaltwelle mit 1000 Toten.

SRF News: Patrik Wülser, Sie befinden sich vor einem Wahllokal in einem kleinen Dorf namens Gaschier. Wie ist dort die Stimmung derzeit?

Patrik Wülser: Momentan ist es friedlich, still, fast andächtig. Ich stehe zwischen Hunderten Menschen, die seit 3 Uhr früh hier vor der Primarschule von Gaschier anstehen, einem der 40'000 Wahllokale im Land, um ihren Wahlzettel abzugeben.

Warteschlange vor einem Wahllokal in einem kleinen Dorf namens Gaschier.
Legende: Alles ruhig am frühen Morgen: Warteschlange vor einem Wahllokal im kenianischen Dorf Gaschier. Patrik Wülser
Patrik Wülser
Legende: Patrik Wülser ist Afrika-Korrespondent von SRF und lebt in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. SRF

Odinga und Kenyatta liegen laut letzten Umfragen fast gleich auf. Wie werden die beiden mit ihrem Sieg respektive ihrer Niederlage umgehen?

Das ist die grosse Sorge. Das Resultat wird in zwei bis vier Tagen erwartet. Eine Niederlage bei einer Wahl ist in Afrika immer ein Problem. Insbesondere hier in Kenia: Es gab nach allen Wahlen Unruhen. Auch dieses Mal hat sich der Herausforderer Odinga vor der Wahl quasi schon zum Sieger erklärt. Er hat seine Anhänger zu einer Party nächste Woche in die Präsidentenresidenz eingeladen. Das ist gefährlich. Wenn die Bevölkerung so aufgeheizt wird, hat sie Mühe, eine Niederlage zu akzeptieren. Eine Niederlage ist dann immer ein Wahlbetrug.

Wenn die Bevölkerung so aufgeheizt wird, hat sie Mühe, eine Niederlage zu akzeptieren.

Gezählt werden die Stimmen elektronisch. Der IT-Chef der Wahlkommission wurde aber vor ein paar Tagen ermordet. Ein schlechtes Omen?

Ja, denn es erinnert an 2007, an die blutigen Wahlunruhen mit über 1000 Toten. Die Ermordung dieses Kommissionsmitglieds hat Angst ausgelöst. Viele Menschen haben die grösseren Städte verlassen und sind zu ihren Verwandten aufs Land geflohen. Das ist aber nicht das einzige Problem: Vor zwei Tagen kam heraus, dass wahrscheinlich ein Viertel der Wahllokale keinen Zugang zum Internet haben und somit nicht mit dem digitalen, biometrischen System verbunden sind. Das öffnet Wahlmanipulationsvorwürfen die Tür und könnte Grund für Unruhen sein.

Das Gespräch führte Noemi Ackermann.

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