In Kongo könnte es zum ersten Mal zu einem friedlichen Machtwechsel kommen. Der oppositionelle Kandidat Félix Tshisekedi hat die Wahlen gewonnen. Bettina Rühl ist freie Korrespondentin in Afrika. Sie erklärt die Vorgänge in Kongo.
SRF News: Kongos starker Mann, Joseph Kabila, durfte bei den Wahlen nicht mehr selber antreten. Sein Mann, Emanuel Ramazani Shedary, hat die Wahl verloren. Wird Kabila die Niederlage anerkennen?
Bettina Rühl: Kabila wird diese Niederlage voraussichtlich anerkennen. Nicht, weil er oder sein Wunschkandidat überzeugte Demokraten sind, sondern weil die Wahlkommission das Ergebnis sicher mit ihnen abgesprochen hat oder es auf Wunsch der Regierung so hat ausfallen lassen. Die Überlegung dahinter könnte sein, dass Shedary, der Kandidat der Regierungskoalition, derart weit abgeschlagen war, dass die Regierung ihn nicht als Sieger hätte präsentieren können, ohne wirklich einen Flächenbrand zu riskieren.
Gemäss der Auszählung der katholischen Kirche hat Martin Fayulu, der andere Oppositionskandidat, die Wahl gewonnen.
Es gibt noch einen zweiten Verlierer bei diesen Wahlen, nämlich der zweitplatzierte Oppositionelle Martin Fayulu. Hinter ihm steht die in Kongo mächtige katholische Kirche. Werden diese Kreise den Wahlausgang akzeptieren?
Die Bischofskonferenz hat bereits gesagt, dass sie das offizielle Wahlergebnis für unglaubwürdig hält. Die Kirche hat viele eigene Beobachter eingesetzt und parallel ausgezählt. Sie sagt, dass nach diesen Ergebnissen Fayulu gewonnen habe. Dieser hat ebenfalls erklärt, dass er das Ergebnis für unglaubwürdig hält und eine Neuauszählung fordert.
Für die Regierung ist das eine Traumsituation. Es zeigt, dass sie die Opposition gewinnen lässt und die Opposition macht sich dann gegenseitig den Sieg streitig. Der Grund für diese Taktiererei der Regierung könnte sein, dass Fayulu als sehr viel klarer, extremer, kompromissloser gilt, und womöglich härter gegen die bisherigen Regierungen vorgegangen wäre. So hat man möglicherweise den zweiten Kandidaten der Opposition gewinnen lassen, womöglich ist der kompromissbereiter.
Félix Tshisekedi wird fast sicher der neue Präsident Kongos. Sein Vater war Politiker der Opposition und Ministerpräsident. Wer ist er sonst noch, ausser der Sohn seines Vaters?
Sein Vater war jahrzehntelang das Gesicht der Opposition. Felix Tshisekedi selbst hat wenig Profil, wenig Charisma und gilt gegenüber Fayulu als weitaus kompromissbereiter. Er steht für die sozialdemokratischen Werte seiner Partei, das heisst, er hat in allen Äusserungen in den letzten Monaten immer wieder gesagt, es käme auf den Kampf gegen Korruption, gegen die Armut und so weiter an.
Félix Tshisekedi wird die militärischen Kämpfe nicht befrieden können. Vor allem im Osten des Landes kämpfen seit Jahrzehnten Dutzende von Milizen um den Zugang zu Rohstoffen.
Er wolle Korruption und Armut bekämpfen, versprach Tshisekedi den Wählern. Kann er Kongo befrieden?
Die Situation ist durch dieses angefochtenene Wahlergebnis für ihn sehr schwer. Es gibt im Grunde zwei Konfliktlinien. Die eine ist die politische, die andere ist die militärische. Die politische Auseinandersetzung rund um seine Wahl muss man abwarten. Die katholische Kirche ist stark, und wenn sie erklärtermassen hinter Fayulu steht, spaltet dies das Land weiter. Ob Tshisekedi die Ausstrahlung, auch die Autorität hat, das zusammenzubringen, wird man sehen.
Er wird aber ganz sicher die militärischen Kämpfe nicht befrieden können. Vor allem im Osten des Landes kämpfen seit Jahrzehnten bereits Dutzende von Milizen um den Zugang zu Rohstoffen. Das sind Auseinandersetzungen, die mit der politischen Lage in Kinshasa nur sehr bedingt zu tun haben.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.