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Moçambique am Tag vor einer schwierigen Wahl
Aus Echo der Zeit vom 14.10.2019. Bild: SRF. Anna Lemmenmeier.
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Wahlen in Mosambik Wenn nur die Waffen gehört werden

Mosambik wählt. Dies nachdem erneut ein Friedensvertrag unterzeichnet worden war. Doch niemand traut dem Frieden.

«Paz definitiva» – Frieden definitiv. Unter diesem Motto umarmten sich die beiden Präsidenten der Regierungspartei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) und der grössten Oppositionspartei Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) im August medienwirksam vor der Weltöffentlichkeit. Einmal mehr haben die beiden Parteien einen Friedensvertrag unterschrieben. Bereits zum dritten Mal. Die internationale Gemeinschaft feierte den Schritt als «historisch». Doch in Mosambik traut man dem Frieden nicht über den Weg.

«Wir haben viel gelitten. Unter der Regierung genauso wie unter den Renamo-Rebellen. Wir misstrauen diesem Friedensvertrag, denn die Renamo-Rebellen, die sind noch immer hier im Busch», erzählt Bauer Jéjo Joãquim Saize.

Person im Porträt.
Legende: Bauer Jéjo Joãquim Saize hat unter dem Konflikt gelitten. SRF / Anna Lemmenmeier

Seit der Konflikt zwischen der Regierung und der Renamo im Jahr 2013 wieder aufgeflammt ist, hat hier vor allem die Zivilbevölkerung gelitten. Hier, in dieses wunderschöne Gebiet rund um den Nationalpark Gorongosa im Zentrum von Mosambik, in das sich der bewaffnete Arm der Renamo zurückgezogen hatte.

Ewiger Konflikt zwischen Frelimo und Renamo

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Die Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) und die Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) lieferten sich einen sechzehn Jahre andauernden Bürgerkrieg bei dem rund eine Million Menschen ums Leben kamen. In diesem Stellvertreterkrieg während des Kalten Krieges wurde die Frelimo von der Sowjetunion unterstützt, die Renamo vom weissen Rhodesien, später vom Apartheid-Südafrika und den USA. Mit dem Friedensabkommen von 1992 wurde der Krieg offiziell beendet und die Renamo wurde offiziell grösste Oppositionspartei im Lande. 2013 brach der Konflikt erneut auf, nachdem der Frelimo Wahlmanipulationen vorgeworfen worden waren. 2016 erklärte die Renamo den einseitigen Waffenstillstand. Nach dem Tod des langjährigen Renamo-Anführers Afonso Dhlakama, setzte sein Nachfolger, Ossufo Momade, die Friedensverhandlungen fort, die im Friedensvertrag von August mündeten.

Beide Konfliktparteien sind seit dem Wiederausbruch des Konflikts für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Personen verschwanden, wurden gefoltert und exekutiert.

Gebäude mit einem Wahlplakat.
Legende: Die Wahlkampagnen der Renamo werden gestört. SRF / Anna Lemmenmeier

Jéjo Joãquim Saizes Familie hat das selbst erlebt. «Regierungstruppen kamen ins Haus meines Vaters. Sie verprügelten ihn und brannten sein Haus nieder. Sie bezichtigten ihn mit der Renamo-Guerilla zusammenzuarbeiten. Aber das stimmt nicht. Mein Vater hatte Glück und konnte fliehen. Am selben Tag wurden zwei unserer Nachbarn getötet», so der junge Mann.

Wut auf Regierung

Niemand weiss, wie viele Personen in den letzten Jahren durch den Konflikt ums Leben gekommen sind, beklagt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Regierung arbeite die Fälle nicht auf. Doch das Misstrauen der Bevölkerung in den Staat und der Hass auf die seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regierende Partei Frelimo ist hier in der Gegend tief verankert. Gerade weil die Sicherheitskräfte oft willkürlich gegen die Zivilbevölkerung vorgingen.

Doch Bauer Jéjo Joãquim Saize fürchtet auch die Renamo-Guerilla. Seit dem Friedensvertrag vom August sogar noch mehr, so der 29-jährige Bauer. Denn die Renamo selbst ist nun gespalten. Das abtrünnige Lager akzeptiert das Friedensabkommen nicht, deren Anführer rief dazu auf, alle zu töten, die für die Wahlen von kommender Woche werben. Die Splittergruppe hat sich bereits zu mehreren Anschlägen bekannt.

Flagge auf einer Wand gemalt.
Legende: Mosambik ist das einzige Land der Welt, auf dessen Nationalflagge ein Maschinengewehr abgebildet ist. SRF / Anna Lemmenmeier

Gewaltvolle Vergangenheit

Gewalt zieht sich durch Mosambiks gesamte Geschichte. Nicht umsonst ist das Land das einzige der Welt, auf dessen Nationalflagge ein Maschinengewehr thront. Zuerst der Unabhängigkeitskrieg, dann der Bürgerkrieg und der wieder aufflammende Konflikt zwischen den beiden Parteien.

Eine Person im Porträt
Legende: Inacio Faque Ferraria war 14 Jahre lang Teil der Renamo-Guerilla. SRF / Anna Lemmenmeier

Doch der Bürgerkrieg damals, der sei nötig gewesen, sagt ex-R-Kämpfer Inacio Faque Ferraria in der Hafenstadt Beira, 250 Kilometer von der Serra de Gorongosa entfernt: «Der Krieg hat sich gelohnt, weil die Frelimo nur so das Mehrparteiensystem akzeptierte, damals mit dem Friedensvertrag von 1992.». Damals hatte der 57-Jährige selbst mitgekämpft. 14 Jahre war er Teil der Renamo-Guerilla. 1992 hat er die Waffen abgegeben.

Flagge mit dem Porträt eines Mannes.
Legende: Die Regierungspartei Frelimo tut alles um an der Macht zu bleiben. SRF / Anna Lemmenmeier

Und wie die Renamo offiziell zur politischen Partei wurde, wurde auch Ferraria Parteimitglied. Heute leitet er die Wahlkampagne der Renamo in dessen Hochburg Sofala. Doch als politische Partei hat es die Renamo nicht geschafft, die Vormachtstellung der Frelimo massgeblich einzuschränken.

Wand mit Plakaten.
Legende: Der Staat ist die Frelimo. Das zeigt sich daran, dass das ganze Land derzeit mit Frelimo-Plakaten zugeplastert ist. SRF / Anna Lemmenmeier

Zwar hat Mosambik seit 1992 ein Mehrparteiensystem, aber seit vier Jahrzehnten ist in Mosambik der Staat die Frelimo und die Frelimo der Staat. Und gerade deswegen sei es wichtig den Druck auf die ewigregierende Frelimo aufrechtzuerhalten, glaubt Ferraria. Notfalls mit Waffen. «Die Waffen allein machen noch keinen Krieg. Sie sind einzig ein Instrument. Und der Krieg ist ja auch nichts anderes, als die Fortführung der Politik.» Damit vertritt der lokale Renamo-Sprecher natürlich nicht die offizielle Meinung der Partei. Doch es erklärt vielleicht, warum die im jüngsten Friedensvertrag abgemachte Frist, alle Waffen abzugeben, uneingelöst verstrich.

Ewigregierende Frelimo

Die über vier Jahrzehnte ununterbrochene Parteiherrschaft der ehemaligen Befreiungsbewegung Frelimo hat viele Mosambikanerinnen und Mosambikaner frustriert, wütend und ratlos zurückgelassen. So auch den Ex-Rebellen. «Wir wollen endlich Demokratie. Wir wollen, dass alle teilhaben können in diesem Land.»

Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt. Immer wieder hat die Frelimo-Regierung versprochen, dass sich das bald ändern werde. Besonders, seit vor Mosambiks Küste riesige Gasvorkommen entdeckt worden waren. Doch bis jetzt hat sich für die meisten Bewohner des Landes die Lage seit der Unabhängigkeit 1975 nicht verbessert. Beim Human Development Index liegt Mosambik auf Platz 180 von 189 Ländern. Kritik am Regime wird nicht geduldet. Mosambikanerinnen und Mosambikaner müssen in der Öffentlichkeit jedes Wort abwägen.

Gleichzeitig grassiert die Korruption im Land. Besonders deutlich wurde das mit dem grössten Kreditskandal der Geschichte des Landes, in den auch die Schweizer Bank Credit Suisse involviert ist. Dieses Gefühl nicht teilhaben zu können am Reichtum, während sich andere die Taschen vollstopfen, dürfte laut Experter auch massgeblich zur neuen Welle der Gewalt beitragen, welche Mosambik seit 2017 heimsucht (s. Textbox).

Neue Welle der Gewalt durch mysteriöse Terrorgruppe

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Im Oktober 2017 tauchen neue Akteure auf Mosambiks Sicherheitsbühne auf. In der rohstoffreichen Provinz Cabo Delgado im Norden des Landes verübt seither eine mysteriöse Gruppe Attacken vor allem auf die Zivilbevölkerung. Dabei werden Personen geköpft, entführt und vergewaltigt, ganze Dörfer niedergebrannt. Laut Schätzungen kamen dabei rund 300 Personen ums Leben, mindestens 60’000 wurden vertrieben. Von der lokalen Bevölkerung «Al Shabaab» genannt (wobei keine eindeutigen Verbindungen zur somalischen Al-Shabaab nachzuweisen sind), wird der Gruppe nachgesagt eine islamisch-fundamentalistische Ideologie zu vertreten, die sich gegen den Staat wendet. Mittlerweile hat der «Islamische Staat IS» sich zu Anschlägen bekannt, diese Verbindung wird von Experten allerdings bezweifelt. Die mosambikanische Regierung beschränkt den Zugang zur Region und behindert damit die Berichterstattung und Recherche über die Gruppe, die seit zwei Jahren für Terror im Norden Mosambiks verantwortlich ist.

Was braucht Mosambik für den definitiven Frieden?

Der mosambikanische Philosoph Severino Ngeonha beschäftigt sich seit langem mit dieser Frage. «Das Grundproblem von Mosambik ist, dass wir trotz dieser gewaltvollen Geschichte nie einen Versöhnungsprozess hatten. Nicht wie andere afrikanische Länder, Ruanda oder Südafrika. Wir hatten nie einen nationalen Dialog, welcher es ermöglichen würde die Wunden zu heilen und wirklich darüber zu diskutieren, wie wir zusammenleben wollen», sagt er in seinem Büro in der Hauptstadt Maputo.

Person im Porträt.
Legende: Philosoph Severino Ngoenha beschäftigt sich mit Versöhnungsfragen. SRF / Anna Lemmenmeier

Dabei sei ein wichtiger Faktor, dass die Frelimo ihre Schuld am Konflikt nie eingestanden habe. Und somit wurde verhindert, dass über eine wirkliche Teilung der Macht, über eine echte Demokratie diskutiert wurde. Auch beim Friedensabkommen von August nicht. «Das führt dazu, dass wir junge Menschen haben, die wie die Renamo-Kämpfer im Busch ebenso wie die jungen Menschen im Norden, das Gefühl haben, dass ihre einzige Möglichkeit gehört zu werden, die Waffengewalt ist. Das ist besorgniserregend.»

Mosambik wählt – Regierungspartei will um jeden Preis gewinnen

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Die Regierungspartei Frelimo ist in Mosambik seit der Unabhängigkeit vor 44 Jahren an der Macht. Für viele Mosambikanerinnen und Mosambikaner ist sie darum die einzig wählbare Partei, auch, weil sie 1975 die Unabhängigkeit von Portugal brachte. Die Partei tut derzeit alles, damit an der Macht bleibt. Staatsangestellte wurden zu Frelimo-Wahlkampagnen gedrängt. Anhänger der Opposition wurden attackiert, ihre Kampagnen blockiert. Offensichtlich wurde auch das Wahlregister manipuliert, so wurden in einer Frelimo-Hochburg mehr als 300'000 Wahlberechtigte mehr registriert, als bei der Volkszählung vor zwei Jahren. Letzte Woche wurde ein Wahlbeobachter von Polizisten erschossen. Seit Beginn des Wahlkampfes sind mindestens 38 Personen ums Leben gekommen, Dutzende wurden verhaftet. All dies begünstigt einen erneuten Sieg der Frelimo, umso mehr, als dass ihr mit der Renamo eine schlecht organisierte Opposition gegenübersteht.

Wahlen als Test für den Frieden

Mit morgigen Wahlen gibt die Politik den Mosambikanerinnen und Mosambikanern die Chance ihre Stimme an der Wahlurne zu erheben. Doch nur wenn der Wahlprozess glaubwürdig abläuft, und die Regierungspartei bereit ist einen Teil der Macht abzugeben, werden diejenigen, die sich seit mehr als vier Jahrzehnten ausgeschlossen fühlen, die Waffen für immer niederlegen.

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