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Wahlen in Polen Der Kampf der Unversöhnlichen

In Polen dürften die Rechtskonservativen die Wahlen am Sonntag erneut gewinnen. Und doch müssen sie um die Macht bangen.

Die Frage ist, ob Polen eine Demokratie bleibt, sagt die Opposition. Die Frage ist, ob Polen ein eigenständiges Land bleibt, sagen Vertreter der Regierungspartei. «Donald Tusk ist die Personifizierung des Bösen», sagt Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei PiS über den Anführer der grössten Oppositionspartei. Tusk wiederum attestiert Kaczynski «die Hartnäckigkeit eines Wahnsinnigen». Die dramatischen Aussagen zeigen, wie tief in der polnischen Politik die Gräben sind.

Eine Hand von einer Person. Sie streckt eine polnische Flagge in die Luft.
Legende: Die politischen Gräben in Polen sind tief. Reuters/Max Rossi

Die Ausgangslage: Laut den Umfragen haben beide Seiten Chancen, die nächste Regierung zu stellen. Die rechtskonservative Regierungspartei liegt in den Umfragen mit rund 35 Prozent der Stimmen zwar deutlich vorn. Um eine stabile Regierung zu bilden, könnte sie aber neu auf einen Koalitionspartner angewiesen sein. Am ehesten infrage käme dafür die Rechtsaussen-Partei Konfederacja. Aber die sagt, sie wolle nicht mit der PiS zusammen regieren. Und sie wäre ein schwieriger Partner für die PiS: Ein Kernanliegen der Konfederacja sind Steuersenkungen. Das geht schlecht zusammen mit den grossangelegten Umverteilungsprogrammen der PiS. Gleich mehrere Koalitionspartner bräuchte wohl Tusks Bürgerplattform. So ist eine entscheidende Frage, ob es zwei kleinere, eher linke Parteienbündnisse ins Parlament schaffen oder nicht. Tusk bräuchte voraussichtlich beide, um eine Regierung zu bilden.

Jaroslaw Kaczynski und Donald Tusk nebeneinander auf einer Bühne. Sie blicken voneinander weg.
Legende: Der Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski (links), und der Anführer der grössten Oppositionspartei, Donald Tusk (rechts), treten bei den polnischen Wahlen gegeneinander an. Keystone/ TOMASZ GZELL

Die möglichen Folgen, wenn die PiS an der Macht bleibt: Die Gegner der PiS fürchten, dass diese Wahlen ihre letzte Chance sein wird. Ihre Sorge: Eine weitere rechtskonservative Regierung würde die Justiz noch stärker unter ihre Kontrolle bringen, die Medienlandschaft noch stärker zu ihren Gunsten umbauen. Demgegenüber versprechen sich die Anhänger der Rechtskonservativen einen weiteren Ausbau der Sozialleistungen und weiterhin eine Politik, die sich an konservativen katholischen Werten orientiert. Der Europäischen Union käme ein Machtwechsel in Warschau gelegen. Der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk wäre für Brüssel ein einfacherer Partner als die heutige Regierung, die mit der EU in zahlreiche Konflikte verstrickt ist wegen ihres Versuchs, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen.

Ein Land, zwei Welten: Die meisten der knapp 38 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Polens leben in zwei weitgehend voneinander getrennten Medienwelten. Die Anhängerschaft der Opposition konsumiert vor allem Medien, die kritisieren, was immer die rechtskonservative Regierung tut. Die PiS-Wählerinnen hingegen informieren sich vorzugsweise in regierungstreuen Medien oder im staatlichen Radio und Fernsehen. Beide hat die Regierung zu Propagandakanälen umgebaut. An vielen Tagen hat das, was diese Medien berichten, kaum etwas gemeinsam mit der Berichterstattung der regierungskritischen privaten Medien.

Die entscheidenden Unzufriedenen: Allerdings gibt es, vor allem unter den Jungen, immer mehr Unzufriedene, die von der alten Feindschaft zwischen Tusk und Kaczynski genervt sind. Vor allem in den Städten wenden sich viele von ihnen linken und linksliberalen Parteien zu. Auf dem Land hingegen sympathisieren vor allem junge Männer mit der ultra-nationalistischen Konfederacja. Die Stimmen dieser Unzufriedenen links und rechts dürften entscheidend sein dafür, wer nach den Wahlen am 15. Oktober die besten Chancen hat, die neue polnische Regierung zu stellen.

Echo der Zeit, 09.10.2023, 18 Uhr

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