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Wahlen in Polen Polen: Regierungspartei PiS verpasst Mehrheit – Opposition feiert

  • Bei der Parlamentswahl in Polen liegt laut neuen Prognosen die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nach wie vor in Führung, verpasst aber die absolute Mehrheit.
  • Die seit 2015 regierenden Nationalkonservativen dürften auf 36.6 Prozent der Stimmen kommen, wie neue Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergaben.
  • Drei Oppositionsparteien könnten jedoch die neue Regierung bilden.

Zweitstärkste Kraft mit 31 Prozent dürfte demnach die oppositionelle liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) des ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk werden. In der ersten Prognose betrug der Stimmanteil der PiS 36.8 Prozent und der Anteil der KO 31.6 Prozent.

In den ersten Prognosen – dafür wurden 90'000 Wählende in 900 zufällig ausgewählten Wahllokalen nach ihrer Stimmabgabe befragt – werden der PiS 200 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Nun werden der PiS zwei Sitze weniger vorhergesagt. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate.

In den neuen Prognosen werden der ultrarechten Konfederacja-Partei 14 Sitze statt 12 Sitze vorausgesagt. Sie ist auch die einzige Partei, die als Koalitionspartner für die PiS infrage kommt. Doch für eine Regierungsmehrheit würde es trotz Koalition nicht reichen. Zudem hat die Konfederacja im Wahlkampf immer wieder betont, sie wolle kein Bündnis mit der PiS.

Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) kommt laut den neuen Prognosen auf 161 statt ursprünglich 163 Mandate. Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13.5 Prozent, in der ersten Prognose 13 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8.6 Prozent) eine Regierungskoalition bilden. Das Dreierbündnis käme auf insgesamt 248 Abgeordnete und hätte eine Mehrheit im Parlament.

Die Demokratie hat gewonnen.
Autor: Donald Tusk Sptizenkandidat der oppositionellen Bürgerkoalition

Oppositionsführer Donald Tusk sah sich am Abend bereits als Sieger: «Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung», sagte er am Wahlabend.

SRF-Korrespondent: «Es dürfte zu einem Machtwechsel kommen»

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Einschätzung von SRF-Korrespondent Roman Fillinger:

In Polen dürfte es zu einem Machtwechsel kommen. Bis allerdings eine neue Regierung die Geschäfte übernehmen wird, wird es noch dauern. Zunächst erhält die stärkste Partei, die PiS von Jaroslaw Kaczynski, den Auftrag zur Regierungsbildung. Und erst wenn ihr das nicht gelingt – was wahrscheinlich ist, weil sie keinen Koalitionspartner finden wird, mit dem sie eine Mehrheit erreichen kann –, kommen Tusk und seine Mitstreiter an die Reihe. Sie müssen sodann die Grundlagen einer Regierungskoalition aushandeln.

Kommt es tatsächlich so weit, ist mit einer «Normalisierung» der Politik in Polen zu rechnen, wie Oppositionsführer Tusk es ausgedrückt hat. So sollen die Gerichte und die staatlichen Medien wieder unabhängig werden. Das strikte Abtreibungsverbot soll gelockert werden. Auch sollen die Beziehungen zur EU verbessert werden. Derzeit sind sie bekanntlich sehr angespannt, weil die bisherige PiS-Regierung versucht hat, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen.

Anderes hingegen dürfte ähnlich bleiben wie heute: Obwohl Tusk ein Liberaler ist, hat er versprochen, die von der heutigen Regierung stark ausgebauten Sozialleistungen beizubehalten. Und auch bei der Migration würde Polen weiter eine harte Haltung einnehmen.

Derweil erklärte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS seine Partei zum Sieger der Wahl. Es sei seit dem Ende des Kommunismus keiner Partei in Polen gelungen, dreimal hintereinander die Parlamentswahl zu gewinnen. Seine Partei werde versuchen, eine stabile Regierung zu bilden, sollte sie vom Präsidenten den Auftrag dazu bekommen, sagte er dem Sender «TVP Info».

PiS erhält als Erste Auftrag zur Regierungsbildung

Staatspräsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass er sich an die Regel halten werde, die stärkste Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Das Kräfteverhältnis im Parlament kann sich noch durch Nuancen von wenigen Prozentpunkten für kleinere Parteien verschieben. Das offizielle Endergebnis der Wahl wird am Dienstag erwartet. Dann wird es wohl zu einer langwierigen Regierungsbildung kommen.

Hohe Wahlbeteiligung bei Richtungswahl

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Rund 29 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, in Polen ein neues Parlament zu bestimmen. Gemäss der Prognose lag die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent. Dies wäre der höchste Wert bei einer Wahl seit dem Ende des Kommunismus in Polen.

Wegen des Krieges im Nachbarland Ukraine und steigender Flüchtlingszahlen galt der Urnengang als Richtungswahl. Polen kommt bei der Unterstützung der Ukraine eine wichtige Rolle zu. Der Wahlkampf war geprägt vom Thema Migration und Attacken auf die EU und Deutschland.

Tagesschau, 15.10.2023, 19:30 Uhr ; 

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