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Wahlen in Ungarn Plötzlich hat Orban ein Problem: Peter Marki-Zay

Der Spitzenkandidat von Ungarns Opposition wählte Orban einst selbst. Heute bezeichnet er ihn als Dieb. Ein Portrait.

Geht es um Ungarns Regierungschef Viktor Orban, verliert Peter Marki-Zay leicht die Geduld: «Orban ist kein Migrationsgegner. Orban ist kein Christ. Orban ist kein Konservativer. Orban ist nur ein Dieb.» Worte, so giftig, dass sie an Viktor Orban selbst erinnern – einen Politiker, den Marki-Zay einst gewählt hat. «Ich hielt ihn für einen grossen Konservativen und unterstützte ihn von ganzem Herzen.»

Wie Orban befürwortet auch Marki-Zay eine harte Politik gegen illegale Migration. Vorbild sind ihm dabei die USA, wo er einige Jahre gelebt hat. Wie Orban, der fünffache Vater, will auch Marki-Zay, Vater von sieben Kindern, grosszügig Familien fördern. Wie Orban, der Protestant, spricht auch Marki-Zay, der Katholik, gerne über seine christlichen Werte.

Viktor Orban
Legende: Wenn Ungarn in den letzten Jahren wählte, war die Frage nicht, wer gewinnt, sondern nur, wie hoch Viktor Orban gewinnt. Das hat auch damit zu tun, dass Orban die Wahlgesetze in zwölf Jahren an der Macht so umgeschrieben hat, dass es fast nicht möglich ist, ihn und seine Fidesz-Partei zu schlagen. Keystone

Aber der 49-Jährige findet es inakzeptabel, wie Orban versucht, die Demokratie auszuhebeln und die Medien zu unterdrücken. Das sei nicht konservative Politik, das sei der Versuch, einen Einparteienstaat zu schaffen.

Die Übermacht von Orbans Fidesz-Partei hat Marki-Zay vor vier Jahren motiviert, in die Politik einzusteigen. Zu Hause, in der südungarischen Kleinstadt, forderte der Ökonom den amtierenden Fidesz-Bürgermeister heraus – und gewann. Eine kleine Sensation.

Wenn wir das Grundübel Korruption ausrotten, dann können wir die anderen Probleme des Landes leicht lösen.
Autor: Peter Marki-Zay Spitzenkandidat der Opposition bei den Wahlen in Ungarn

Letzten Herbst folgte dann die grössere Sensation. Als Parteiloser entschied Marki-Zay die Vorwahlen der ungarischen Opposition für sich und wurde zum Spitzenkandidaten des Anti-Orban-Lagers. Der Aussenseiter war glaubwürdiger als die kandidierenden Parteichefs. Und er hat mehr Ausstrahlung.

Die braucht er für die ganz grosse Sensation. Er soll in den Wahlen Regierungschef Orban besiegen – und zwar mit einem zentralen Versprechen: dem Ende der Korruption in Ungarn. «Wenn wir das Grundübel Korruption ausrotten, dann können wir die anderen Probleme des Landes leicht lösen», sagt Marki-Zay.

Peter Marki-Zay
Legende: Die sechs grössten ungarischen Oppostionsparteien – von weit links bis ganz rechts – haben einen gemeinsamen Kandidaten gekürt. Gewonnen hat die Vorwahlen ein Mann, mit dem niemand gerechnet hat: Peter Marki-Zay, der parteiunabhängige Bürgermeister einer südungarischen Kleinstadt. Reuters

Die im EU-Vergleich grosse Armut in Ungarn, die im weltweiten Vergleich hohe Covid-Sterblichkeit, die grossen Mängel bei der Bildung – all das habe damit zu tun, dass Orban und seine Clique sich mehr für den eigenen Reichtum als für das Wohl der Ungarinnen und Ungarn interessierten. Und auch damit, dass in Ungarn selbst grössere Skandale keine Konsequenzen hätten.

Orbans Parteifreunde seien so schamlos, dass seine Politiker glaubten, mit allem davonzukommen. Das müsse sich ändern. Unter anderem will Marki-Zay Ungarn eine neue Verfassung geben, eine, die nicht wie die heutige auf die Bedürfnisse einer starken Regierungspartei zugeschnitten ist.

Risse in der Opposition

Das sind ehrgeizige Pläne – zu ehrgeizige für einen Mann mit so wenig politischer Erfahrung, sagen Kritiker. Und die sitzen auch in den eigenen Reihen, den Reihen des Anti-Orban-Lagers. Peter Jakab, Chef des konservativen Jobbik, der stärksten Oppositionspartei, sagt gegenüber SRF News: «Als Parteiloser versteht Marki-Zay nicht wirklich, wie die nationale Politik funktioniert.» Es sei schwierig, mit ihm Kompromisse zu schliessen.

Andere in der angeblich geeinten Opposition stören sich an Marki-Zays Provokationen, an Worten wie diesen: «Die Fidesz-Propaganda erinnert an die Kommunisten oder die Nazis. Goebbels wäre stolz auf Viktor Orban.»

Sind so drastische Vergleiche wirklich nötig? Traurigerweise ja, meint Marki-Zay: «Ohne kontroverse Aussagen wird man in Ungarn nicht gehört.» Zumindest nicht in der Welt der Fidesz-Wählerinnen und Wähler, die Marki-Zay davon überzeugen will, dass er der bessere Konservative ist als Viktor Orban.

Kann Marki-Zay die Ära Orban beenden?

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Roman Fillinger
Legende: Roman Fillinger SRF

SRF-Korrespondent Roman Fillinger: «Es kann Peter Marki-Zay gelingen, Viktor Orban bei den Wahlen zu schlagen – aber es wird schwierig werden. Einerseits ist Orban ein guter Wahlkämpfer, der mit seinem Fidesz über eine gut geölte Wahlkampfmaschine verfügt und auch nicht zögert, als Regierungschef staatliche Mittel zu seinen Gunsten einzusetzen. Andererseits ist die geeinte Opposition nicht so geeint, wie sie es wohl sein müsste, um diesen starken Gegner schlagen.

Umfragen sehen Orban und seinen Fidesz vorne, aber nicht so deutlich wie bei früheren Wahlen. Und: Wenn Orban im Parlament nicht mehr zwei Drittel der Sitze, sondern nur noch mehr als die Hälfte hat, dann kann er nicht mehr ganz so ungehindert regieren. Das wäre immerhin ein kleiner Erfolg für die vereinigten Orban-Gegner.

Die sechs Oppositionsparteien von weit links bis ganz rechts verbindet aber nichts – und das ist auch das Problem. Wenn Peter Jakab, als Chef der Rechtspartei Jobbik eigentlich der wichtigste Verbündete von Marki-Zay, mir als ausländischem Journalisten sagt, sein Spitzenkandidat verstehe die nationale Politik nicht und sei schwierig im Umgang, dann ist das ein Zeichen dafür, wie tief die Gräben zwischen den Oppositionsparteien und zwischen den Oppositionsparteien und ihrem Spitzenkandidaten sind.

Für mich ist schwer vorstellbar, wie diese sechs Parteien zusammen regieren sollen – unter Führung eines Ministerpräsidenten notabene, der auf der nationalen politischen Bühne ein Neuling ist und keine eigene Partei im Rücken hat. Andererseits haben die Orban-Gegner keine andere Wahl. Orban hat die Wahlregeln so umgeschrieben, dass die Parteien, wenn sie einzeln antreten würden, keine Chance hätten.

Echo der Zeit, 07.02.2022, 18 Uhr

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