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Wahlen in Weissrussland Ein Autokrat lässt sich nicht schönreden

Am Sonntag geht in Weissrussland mit der Präsidentschaftswahl das wichtigste politische Ereignis des Jahrzehnts über die Bühne – unter fast vollständigem Ausschluss der internationalen Öffentlichkeit. Ausländische Medien wurden kaum ins Land gelassen und zum ersten Mal seit 2001 sind keine OSZE-Wahlbeobachter von Weissrussland eingeladen worden.

Kandidatin soll festgenommen worden sein

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Maria Kolesnikowa.
Legende: Reuters

Vor der Präsidentenwahl in Weissrussland ist die führende Oppositionsvertreterin Maria Kolesnikowa nach Angaben ihres Wahlkampfteams vorübergehend festgenommen worden. Die Polizei habe von einer Verwechselung gesprochen, hiess es in einer in der Nacht veröffentlichen Erklärung. Eine offizielle Stellungnahme lag zunächst nicht vor. Kolesnikowa gehört zu einem Frauen-Trio , das als grösste Herausforderung seit Jahren für Amtsinhaber Alexander Lukaschenko gesehen wird. Vor der Abstimmung sind Menschenrechtsgruppen zufolge mehr als 1300 Personen in Haft genommen worden.

Das ist kein Zufall, sondern Strategie des weissrussischen Staatsoberhaupts. Auch nach 26 Jahren im Amt scheint Lukaschenko nicht im Traum daran zu denken, sich fairen Wahlen zu stellen. An seinen Methoden hat sich seit 1994 wenig verändert: Oppositionelle, die er für starke Konkurrenten hält, lässt er nicht kandidieren. Demonstrierende werden ebenso festgenommen, wie Journalistinnen und Journalisten. Im Land füllen sich die Gefängniszellen erneut mit politischen Gefangenen.

Absehbare Ausgangslage

Niemanden im Land überrascht es, dass Lukaschenko zu repressiven Mitteln greift, wenn es um seinen Machterhalt geht. Doch im europäischen Ausland tun sich viele Regierungen schwer damit, den Tatsachen ins Auge zu blicken.

Auch die Schweiz versteckt sich hinter Worthülsen, wenn man sich zur Position zu Weissrussland erkundigt. Es wird keine klare Kritik geäussert über die offensichtlich unfreien Wahlen und die Repression gegenüber Oppositionellen.

Es ist erst ein halbes Jahr her, seit zum ersten Mal überhaupt ein Schweizer Regierungsmitglied auf Staatsbesuch in Weissrussland war. Bundesrat Ignazio Cassis wurde im Februar von Alexander Lukaschenko empfangen. Schon damals war klar, dass Lukaschenko zum Sieger der Wahlen im Sommer erklärt werden würde.

Ein Autokrat bleibt ein Autokrat

Offizieller Anlass des Besuches von Cassis war die feierliche Eröffnung der Schweizer Botschaft. In diesem Zusammenhang gab Bundesrat Cassis SRF ein Interview. Dabei wurde Cassis folgende Frage gestellt: «Sie sehen dennoch eine Möglichkeit für eine wirklich demokratische Entwicklung in diesem Land, wenn der Machthaber selbst von sich sagt, er sei ein Autokrat?» Die Antwort des Schweizer Aussenministers: «Umso mehr, da er sich gegenüber dem Westen öffnet! Umso mehr müssen wir dabei sein, denn wir können genau die richtigen Impulse in die richtige Richtung geben. Und wir spüren, dass Lukaschenko heute viel offener ist als vor zehn Jahren.»

Stellungnahme des EDA auf Anfrage von SRF

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Auf die Anfrage von SRF, ob das EDA und Bundesrat Ignazio Cassis weiterhin hinter den Aussagen im Interviews vom 13. Februar stehen würden, antwortet das Aussendepartement wie folgt:

«Das EDA verfolgt die Situation in Belarus im Vorfeld der Wahlen am 09.08.2020 genau. Wir bedauern, dass das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte die Wahlen dieses Jahr nicht beobachtet und dass die weissrussischen Behörden Pressevertretern mit Sitz im Ausland keine Arbeitsbewilligung erteilt haben. Die Schweiz rief Belarus im Vorfeld der Wahlen im bilateralen Kontakt und in multilateralen Foren wie dem UNO-Menschenrechtsrat und dem Ständigen Rat der OSZE dazu auf, internationale Standards zur Durchführung von Wahlen einzuhalten und auch seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen zu respektieren. Die Schweiz gestaltet ihre bilateralen Beziehungen mit allen Staaten, darunter auch mit Belarus, langfristig. Dabei werden laufend aktuelle Entwicklungen analysiert und mitberücksichtigt.»

Prüfstein für demokratische Werte

Nach den Entwicklungen der vergangenen Monate kann von einer richtigen Richtung nicht die Rede sein. Man mag aufgrund diplomatischer Gepflogenheiten den Ausgang der Wahl abwarten, bevor man sich deutlicher äussert. Es wäre aber angebracht, klar zu kommunizieren, denn die Entwicklung ist höchstens in ihrem Ausmass überraschend, aber nicht in ihrem Kern.

Ein wenig mehr Farbe könnte sich die Schweiz leisten. Man sitzt keiner Weltmacht gegenüber, sondern einem Land mit knapp einer Million mehr Einwohnern als die Schweiz und vergleichsweise geringer handelspolitischer Bedeutung. Wenn man wirklich an einer demokratischen Entwicklung interessiert ist, sollte man sich nicht länger einen Autokraten schönreden.

Luzia Tschirky

Russland-Korrespondentin

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Luzia Tschirky ist SRF-Korrespondentin für die Region Russland und die ehemalige UdSSR.

Tagesschau, 8.8.2020, 19:30 Uhr

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