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Wahlkampf in den USA Wie die US-Demokraten mit dem Feuer spielen

Die Demokraten mischten im innerparteilichen Wahlkampf der Republikaner mit: Sie unterstützten in mehreren Bundesstaaten extreme Kandidaten. Das Kalkül: Im November, bei der eigentlichen Wahl, sind diese Kandidaten einfacher zu schlagen. Das sorgt für Kritik, auch aus der eigenen Partei.

«John Gibbs ist zu konservativ für West-Michigan! Ein Kandidat, der von Donald Trump handverlesen wurde! Ein Hardliner in Sachen Migration!» So tönt eine Fernsehwerbung, finanziert von den Demokraten.

Was oberflächlich daherkommt wie ein Angriff auf John Gibbs, ist in den Ohren vieler republikanischer Wähler richtiggehend eine Wahlempfehlung. Und die Demokraten wissen das. Über 400'000 Dollar haben sie ausgegeben, um Gibbs auf diese Weise zu unterstützen.

Demokraten helfen Wahlleugnern

Gibbs ist ein sehr rechter Kandidat, unterstützt von Ex-Präsident Donald Trump. Er ist ein Kandidat, der Verschwörungstheorien verbreitete – und die Mär von der «gestohlenen» Präsidentschaftswahl 2020. Er hat mit demokratischer Hilfe seine Vorwahl gegen einen moderaten Republikaner gewonnen.

Jetzt ist er im stark umkämpften Bundesstaat Michigan der republikanische Kandidat für einen Sitz im Repräsentantenhaus. Die Demokraten hoffen, Gibbs sei viel einfacher zu besiegen als ein gemässigter Republikaner.

Erfolgversprechende Taktik

Es geht um viel bei den Zwischenwahlen am 8. November: Die Demokraten wollen im Kongress ihre knappen Mehrheiten verteidigen und zudem werden in vielen Bundesstaaten die Parlamente und Gouverneure gewählt. Es wird mit harten Bandagen gekämpft. In mehreren Bundesstaaten setzen die Demokraten Millionen von Dollar ein, um die Vorwahlen der Republikaner zu beeinflussen.

Allein im Rennen um den Gouverneurssitz im Bundesstaat Illinois wurde ein zweistelliger Millionenbetrag aufgewendet, um einem extremen Republikaner zur Nomination zu verhelfen.

«Die Taktik wird für die Demokraten wohl aufgehen», erklärt David Niven, Wahlkampfexperte an der Universität Cincinnati: «In Bundesstaaten wie Illinois haben nur gemässigte Republikaner eine Chance. Dass nun mancherorts extremere Kandidaten nominiert wurden, macht den Demokraten das Leben einfacher».

Kritiker in den eigenen Reihen

Tim Roemer sass während zwölf Jahren im US-Repräsentantenhaus. Er und andere Demokraten haben diese Wahltaktik in einem offenen Brief kritisiert: «Niemals sollten wir Kandidaten unterstützen, die das Vertrauen in die Demokratie untergraben.»

Dass jetzt ausgerechnet die Demokraten Leuten zur Nomination verhelfen, welche das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 leugnen, sei unmöglich, findet Roemer: «Wir Demokraten sollten im Wahlkampf klarmachen, dass wir die Verfassung verteidigen. Wie sollen wir das glaubwürdig tun, wenn wir solche Kandidaten unterstützen, nur weil wir hoffen, sie seien einfach zu schlagen?»

Die Gefahr der Fehlkalkulation

Neu ist diese Wahltaktik nicht. Doch sie habe ein neues Ausmass erreicht, sagt Politologe David Niven: «Die Demokraten helfen dieses Mal Kandidaten, die sie selbst als Gefahr für die Demokratie bezeichnen: Wahlleugner und Leute, die den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar verteidigen.»

Und es ist ein Spiel mit dem Feuer: Schon einmal hielt man einen Kandidaten für zu extrem und glaubte, er habe nur sehr geringe Wahlchancen: Donald Trump. Er wurde 2016 Präsident der USA.

Rendez-vous, 21.09.2022, 12:30 Uhr

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