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Deutschland-Wahlen: «Kein Klima für Veränderungen»
Aus Rendez-vous vom 19.08.2021. Bild: Keystone
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Wahlkampf in Deutschland Aufholjagd der SPD: «Auf Scholz zielt keine Fehlerdiskussion ab»

In fünf Wochen endet die Ära Merkel. Für das Amt bewerben sich Annalena Baerbock von den Grünen, Armin Laschet von der CDU und Olaf Scholz von der SPD. Lange sah es danach aus, als käme es bei den Wahlen zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und Grünen. Nun hat die SPD plötzlich kräftig aufgeholt. Dies, weil Scholz noch mit keinem Fehler ins Fadenkreuz geraten sei, sagt Politologe Gero Neugebauer.

Gero Neugebauer

Gero Neugebauer

Politikwissenschaftler

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Gero Neugebauer ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er war bis 2006 Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

SRF News: Wie kommt es, dass die SPD zurück im Geschäft ist?

Gero Neugebauer: Das hängt einerseits mit der Schwäche der Konkurrenz zusammen. Scholz gilt als jemand, der sich als politischer Administrator bewährt hat und dem man keine persönlichen Fehler beispielsweise durch das unvorsichtige Publizieren von Texten oder durch Lachen bei unpassender Gelegenheit vorwerfen kann. Er hat den Vorteil, dass keine personalisierte Fehlerdiskussion auf ihn abzielt.

Der Chef der bayerischen CSU hat ja immer noch den Gedanken im Hinterkopf, er könnte Laschet während des Rennens auswechseln.
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Dies ist Teil einer Strategie der Entzauberung, vor allen Dingen von Baerbock. Bei Laschet ist es ein Resultat des Streits zwischen der CDU und der bayerischen CSU. Markus Söder, der Chef der CSU, hat ja immer noch den Gedanken im Hinterkopf, er könnte Laschet während des Rennens auswechseln. Nur wird das inzwischen mehrheitlich abgelehnt.

Scholz profitiert also davon, dass er nicht im Rampenlicht steht?

Richtig, er profitiert nicht von der Stärke der Partei, sondern davon, dass er beharrlich und ohne Aufregung und auch ohne Charme und Charisma seinen Job macht und dafür auch positiv bewertet wird. Dies im Gegensatz zu den beiden Kandidaten, die die Erwartungen, die in sie gesetzt worden sind, nicht erfüllen. Der Hype, der sich um Baerbock entlud nach ihrer Kandidatur, ist inzwischen vorbei. Und bei Laschet stellt man fest, dass er jemand ist, der nicht polarisieren, aber vereinen will.

Scholz bei einer Wahlkampfveranstaltung
Legende: Scholz liegt laut neuesten Umfragen vor Baerbock und Laschet. Keystone

Die Regierungskoalition von CDU und SPD wird kritisiert, weil sie die afghanischen Ortskräfte in Kabul nur zögerlich evakuiert. Welche Folgen hat das für den Wahlkampf?

Das ist nicht absehbar. Einerseits ist das Thema Migration für etliche Wählerinnen und Wähler wichtig. Andererseits wird hier aber auch versucht, mit dem Thema Panik zu erzeugen – unter anderem mit dem Hinweis auf das Flüchtlingsjahr 2015, obwohl heute andere Bedingungen herrschen. Es gibt zwar Einigkeit beim kleinsten gemeinsamen Nenner: Legitimierte Ortskräfte sollen kommen und bleiben dürfen. Darüber hinaus gibt es viele Differenzen. Insgesamt wird das Thema an Relevanz gewinnen, wenn die Medien sich weiter darauf konzentrieren und die Politiker sich weiter streiten. Aber es wird kein Kernthema werden.

41 Prozent wollen Scholz als Kanzler

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In Deutschland wächst laut einer Umfrage der Wunsch nach einer SPD-geführten Regierung. Bei der Frage, wer die nächste Regierung führen sollte, liegen die Unionsparteien und die SPD im Deutschlandtrend für das ARD-Morgenmagazin nun mit je 30 Prozent gleichauf. Dabei verlor eine CDU/CSU-Regierung 5 Prozentpunkte an Zustimmung gegenüber Anfang August, eine Koalition unter SPD-Führung konnte indes 6 Punkte hinzugewinnen. Ein von den Grünen geführtes Kabinett bevorzugen 15 Prozent.

Bei einer Direktwahl würden sich derzeit 41 Prozent der Deutschen für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz entscheiden. Das sind 6 Prozentpunkte mehr als Anfang August. 16 Prozent – und damit 4 Punkte weniger als zuvor – wollen Armin Laschet von der CDU im Kanzleramt sehen.
Annalena Baerbock von den Grünen unterstützen rund 12 Prozent – ein Minus von 4 Punkten. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union dem ARD-Deutschlandtrend zufolge auf 23 Prozent, die SPD wäre mit 21 Prozent zweitstärkste Kraft.

Für die Grünen würden 17 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmen, für die FDP 13 Prozent. Die AfD käme auf 11 Prozent, die Linke auf 7 Prozent. Im Vergleich zum 5. August gewinnt die SPD den Angaben zufolge 3 Prozentpunkte und erreicht damit den höchsten Wert seit Januar 2018. Die Union verliert 4 Prozentpunkte, womit sie auf den niedrigsten Wert seit Mai dieses Jahres fällt. Die Grünen verlieren 2 Prozentpunkte und landen auf dem niedrigsten Wert seit August 2020. (sda)

Aus der Schweiz betrachtet hat man den Eindruck eines eher inhaltslosen Wahlkampfs. Was sind die wichtigen politischen Inhalte?

Es gibt weiterhin Themen, die die Wählerinnen und Wählern als wichtig erachten. Dazu gehören der Klimaschutz, die Renten, die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen oder auch innere Sicherheit. Aber die Mehrheit des deutschen Wahlvolks ist eher konservativ. Und da Deutschland in den letzten Jahren wenig Reformen gewagt hat, gibt es hier kein Klima, das auf Veränderungen positiv vorbereitet ist.

Die SPD taumelt hin und her. Sie will besser sein als die Union, andererseits aber auch nicht weit weg von den Grünen wegen möglicher Koalitionen.
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Inhaltliche Auseinandersetzungen und auch die Notwendigkeit, Alternativen aufzuzeigen, wären angesagt. Aber die Union will das nicht machen, weil sie ihre Wähler nicht erschrecken will. Die SPD taumelt hin und her. Sie will besser sein als die Union, andererseits aber auch nicht weit weg von den Grünen wegen möglicher Koalitionen. Und die Grünen machen mobil. Wie sich das auswirkt, wird man am 26. September sehen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Rendez-vous, 19.08.2021, 12:30 Uhr;

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