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Wahlrechtsreform in den USA Eine Reform mit dem höchsten Ziel: Die Rettung der Demokratie

Der Sturm aufs Kapitol soll sich nie mehr wiederholen – dazu soll auch ein überparteilicher Vorstoss für eine Wahlrechtsreform beitragen.

Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 war gewissermassen ein Nebengeräusch für den politischen Versuch, eine Volkswahl auszuhebeln. Während sich die wütenden Trump-Fans zusammenfanden, stellten republikanische Abgeordnete im Kongress den Antrag, die offiziellen Wahlresultate aus verschiedenen Bundesstaaten abzulehnen.

Dass sie das tun konnten, liegt an einem Gesetz aus dem Jahr 1887, dem «Electoral Count Act». Es regelt, wie die Elektorenstimmen aus den Bundestaaten ausgezählt werden, und was im Konfliktfall geschieht.

Demonstranten vor dem Kapitol, 6.1.2021
Legende: Was letztes Jahr am 6. Januar geschah, als Unterstützerinnen und Unterstützer von Präsident Trump die Bestätigung von Joe Biden im Amt verhindern wollten, soll sich nie mehr wiederholen. Keystone

Das Gesetz stammt aus den politischen Wirren in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Während einer Präsidentschaftswahl schickten mehrere Südstaaten einander widersprechende Wahlresultate nach Washington. «Das war eine grosse politische Krise», sagt der Harvard-Jurist Matthew Seligman. Der «Electoral Count Act» habe damals genügend Klarheit geschaffen – aber heute herrsche Reformbedarf. «Denn Parteipolitiker sind gewillt, das Gesetz zu manipulieren und böswillig auszulegen.»

Kompliziertes Elektorenwahlsystem

Das Gesetz ist – da sind sich die Rechtsexperten einig – alles andere als verständlich geschrieben. Und das Elektorenwahlsystem der USA ist an sich kompliziert. Dieses funktioniert so: Bundestaaten wählen Elektoren, die dann ihre Stimmen zum Auszählen an den Kongress in Washington schicken.

Doch was geschieht, wenn es Streit über das Wahlresultat gibt? Schickt ein Bundesstaat zwei sich konkurrenzierende Elektoren-Teams nach Washington, dann kann der versammelte Kongress entscheiden, was zu tun ist – laut dem «Electoral Count Act». Aber falls sich der Senat und das Repräsentantenhaus nicht einig werden, dann entscheidet der Gouverneur des Bundesstaates.

Wenn Politiker zu Richtern werden

Das Gesetz übertrage somit die letzte Verantwortung bei der Stimmenauszählung an die Politik – und das sei ein grober Fehler, sagt Seligman: «Denn Politiker sind anfällig für Druckversuche.» Dass der Kongress Wahlresultate zurückweisen könne, hätten gewisse Republikaner bei den letzten Präsidentschaftswahlen ausgenützt.

Kapitol in Washington
Legende: Zwei Anläufe, das Wahlrecht anzupassen, sind im Kongress bereits gescheitert. Nun ist ein dritter Entwurf unterwegs – diesmal ist es ein überparteilicher Vorstoss. Keystone

Das Risiko, dass sich das Drehbuch im Jahr 2024 wiederholt, hält der Wahlrechtsexperte für durchaus wahrscheinlich. Er nennt das Beispiel des Bundesstaats Georgia. Dort kandidiert derzeit ein Trump-Loyalist fürs Gouverneursamt, der Joe Bidens Wahlsieg explizit nicht anerkannt hat. Gleichzeitig könnten die Republikaner in den Zwischenwahlen die Mehrheit des Repräsentantenhauses zurückholen.

«Bei einer knappen Wahl wäre es also sehr gut möglich, dass ein unverantwortlicher Gouverneur mit der Zustimmung des Repräsentantenhauses eine Volkswahl kippen könnte», sagt Seligman. Und zwar im Rahmen des geltenden Rechts.

Reform ist auf gutem Weg

Die Abgeordneten in Washington sind sich der Gefahr bewusst. Vor wenigen Tagen traten Senator Joe Manchin, ein Demokrat, und Senatorin Lisa Murkowski, eine Republikanerin, auf CNN auf und gelobten das Gesetz aus dem Jahr 1887 zu flicken. Sie führen eine überparteiliche Gruppe von 16 Senatoren an. Diese und eine andere Gruppe aus den Reihen der Demokraten arbeiten an der Reform des «Electoral Count Acts».

Der Harvard-Jurist Matthew Seligmann sagt, erste Entwürfe würden zeigen, dass die Reform auf dem richtigen Weg sei. Am Allerwichtigsten sei es, dass die Gerichte einen Wahlausgang entscheiden könnten, nicht die Politik.

Echo der Zeit, 08.02.2022, 18 Uhr

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