In Portugal bleibt die bisher regierende Sozialistische Partei stärkste Kraft. Die Portugiesinnen und Portugiesen hätten der Politik von Premier António Costa, die der Wirtschaft zum Aufschwung verhalf, Rechnung getragen, sagt der Journalist Tilo Wagner.
SRF News: Haben die regierenden Sozialisten (PS) bei der Wahl vergleichsweise gut abgeschnitten?
Tilo Wagner: Es ist eine gute Leistung, wenn auch keine Glanzleistung. Eine solche wäre die absolute Mehrheit gewesen, welche sich die Sozialisten (PS) gewünscht hatten. Immerhin wird die Partei im neuen Parlament rund 20 Sitze hinzugewinnen und damit nur noch rund zehn Sitze von der Mehrheit entfernt sein. Trotzdem: Im Wahlkampf zeigte sich, dass PS-Chef António Costa kein überragender Wahlkämpfer ist. Er konnte die in den konservativen Parteien herrschende Führungsschwäche nicht voll zu seinen Gunsten ausnutzen.
Die bisherige Regierung der PS punktete vor allem mit der guten Verfassung der portugiesischen Wirtschaft. Hat das den Ausschlag gegeben für den Wahlsieg?
Ganz sicher. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenquote sinkt, die Löhne steigen, die Auslandsinvestitionen nehmen zu. Das alles hat viele Portugiesen von der Regierung Costa überzeugt. Ein Politskandal um gestohlene Armeewaffen und eine dubiose Rückholaktion derselben, in die der ehemalige Verteidigungsminister der Costa-Regierung verwickelt war, hatte den Wahlkampf allerdings zuletzt dominiert. Dies kostete die PS sicher zahlreiche Stimmen – und womöglich gar die absolute Mehrheit im neuen Parlament.
Die PS kann nicht allein regieren. Wie könnte deshalb die politische Zukunft in Portugal aussehen?
Sicher ist, dass die Sozialisten an der Macht bleiben. Wahrscheinlich werden sie erneut eine Minderheitsregierung bilden, was in Portugal eine lange Tradition hat. Unklar ist, ob Costa wieder ein loses Bündnis mit den kleinen Linksparteien bilden wird, und ob ein solches über die ganze Legislaturperiode hält. Die PS könnte auch alleine regieren und sich je nach Thema punktuell Partner unter den anderen Parteien im Parlament suchen.
Premier Costa könnte auch mit der Tier- und Naturschutzpartei zusammenarbeiten.
Costa kündigte in der Wahlnacht an, dass er eine möglichst stabile Lösung sucht. Er gab auch zu verstehen, dass eine Wiederauflage des Bündnisses mit dem marxistischen Block und dem grün-kommunistischen Bündnis im Sinne der Wählerinnen und Wähler sei. Allerdings könnte Costa auch mit anderen Linksparteien zusammenarbeiten, etwa der Tier- und Naturschutzpartei PAN.
Verlierer der Wahl sind die Konservativen. Wie stehen sie jetzt da?
Die kleinere Volkspartei hat fast zwei Drittel ihrer bisherigen Abgeordneten verloren, ihre Vorsitzende ist umgehend zurückgetreten. Die grössere Mitte-Rechts-Partei PSD erzielte eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte, doch ihr Vorsitzender präsentierte sich bislang noch nicht als Verlierer. Das könnte zu einer Zerreissprobe in der Partei führen, denn schon vor der Wahl hatten sich interne Kritiker zu Wort gemeldet.
Hat sich mit der Parlamentswahl in Portugal überhaupt etwas verändert?
Nicht viel. Costa bleibt Ministerpräsident einer sozialistischen Regierung – allerdings wird sich womöglich die Art und Weise ändern, wie die Sozialisten künftig regieren werden. Dabei wird vor allem interessant, mit welchen Partnern sie punktuell zusammenarbeiten werden, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen.
Das Gespräch führte Joël Hafner.