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Wassermangel Jahrhundertdürre in Irak stellt das Land vor eine Zerreissprobe

In Irak herrscht eine Jahrhundertdürre. Die südlichen Sumpfgebiete im Land erleben zurzeit die schwerste Hitzewelle der letzten 40 Jahre. Fast 70 Prozent dieser Gebiete sind nach Angaben der Ernährungs- und Land­wirt­schafts­organisation der Vereinten Nationen (FAO) wasserlos. Hauptursachen für die Dürre sind unter anderem der Klimawandel, veraltete Bewässerungstechniken und Staudämme in der Türkei und in Iran.

Thomas Gutersohn

Nahost-Korrespondent

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Thomas Gutersohn lebt seit 2023 in Amman und berichtet für SRF aus dem Nahen Osten. Er hat in Genf Internationale Beziehungen studiert.

Wie wirkt sich die Trockenheit in Irak aus?

Am stärksten ist der Süden Iraks betroffen. Dort sind die sogenannten Sumpfgebiete des Landes. Das Wasserdelta, wo Euphrat und Tigris in den Arabischen Golf fliessen, ein riesiges Gebiet von über 20'000 Quadratkilometern, ist jetzt zum grössten Teil ausgetrocknet. Zugvögel können dort nun nicht mehr überwintern.

Viele Tiere verenden und es gibt praktisch keine Lebensgrundlage mehr für die Bauern.

Das hat Einfluss auf die Fischerei, die Landwirtschaft ist schwer betroffen, weil das noch vorhandene Wasser zu einem grossen Teil versalzen ist. Viele Tiere verenden und es gibt praktisch keine Lebensgrundlage mehr für die Bauern. Die ziehen dann von dort weg in die Städte, zum Beispiel nach Basra im Süden Iraks oder nach Bagdad.

Wie verändern sich die Städte durch die zugezogene ländliche Bevölkerung?

Sie werden sehr viel grösser. Es gibt einen enormen Zuwachs an Menschen. Die Internationale Organisation für Migration geht von 80'000 Menschen aus, die in den letzten fünf Jahren vom Land in die Städte gezogen sind. Neue Agglomerationen werden gebildet, was zu Spannungen mit der städtischen Bevölkerung führt, die dort schon vorher lebte.

Die Neuzuzüge werden verdächtigt, zu stehlen oder arm zu sein, was bei diesen wiederum zu Frustration führt. Politische Scharfmacher wie der schiitische Geistliche Moktada al-Sadr könnten das dazu nutzen, um Leute auf die Strasse zu bringen, um gegen die Regierung zu protestieren und sie zu destabilisieren.

Was unternimmt die irakische Regierung dagegen?

Die irakische Regierung hat wenig Möglichkeiten. Immerhin, sie hat das Problem erkannt: Dass der Klimawandel enorme Auswirkungen hat auf das Land, ist von der Regierung anerkannt. Doch sie ist relativ schwach aufgestellt. Die Wahlen von letztem Jahr hat sie nicht wirklich gewonnen.

Irak ist also nicht wirklich gewappnet, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

Die Regierung ist zudem in zwei Lager gespalten, die sich nicht immer einig sind. Weiter ist das Land geprägt von 20 Jahren Bürgerkrieg, davor herrschte der Diktator Saddam Hussein. Irak ist also nicht wirklich gewappnet, um diese enorme Landflucht oder die Auswirkung des Klimawandels in den Griff zu bekommen.

Irak ist in Sachen Wasserversorgung von anderen Ländern abhängig. Warum scheitert der diplomatische Weg?

Die Türkei und Iran haben grosse Staudämme gebaut, um die Stromversorgung für sich zu gewährleisten. Diese Staudämme lassen aber den Grundwasserspiegel in Irak auf ein sehr tiefes Niveau sinken.

Irak spielt in einer anderen Gewichtsklasse und kann sich nicht gegen die Türkei oder Iran durchsetzen.

Es gibt zwar Verträge, die regeln sollten, wie viel Wasser aus der Türkei nach Irak fliessen soll. Aber die sind zahnlos. Irak spielt da in einer anderen Gewichtsklasse und kann sich nicht gegen die Türkei oder Iran durchsetzen.

Es gäbe Möglichkeiten, mithilfe von Ölexporten bessere Abkommen beispielsweise mit der Türkei auszuhandeln. Aber Irak kann nach einem so langen Krieg, nach so langer Zeit kompletter Isolation nicht auf derselben Ebene verhandeln wie die Türkei. Und sicherlich kann es sich nicht gegen die Interessen der Türkei, die die Stromproduktion für ihre Gesellschaft garantieren will, durchsetzen.

HeuteMorgen, 28.07.2023, 06:00 Uhr ; 

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