«In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen»: Die CDU hat erstmals seit 2007 ein Grundsatzprogramm beschlossen. Damals befand sich Angela Merkel im dritten Jahr ihrer Kanzlerschaft, die am 8. Dezember 2021 enden sollte.
Der Titel des Papiers kommt einigermassen lauwarm daher, doch bei näherer Betrachtung hat es durchaus Sprengkraft: Kernpunkte des Programms sind nämlich ein härterer Kurs in der Asylpolitik und eine Rückkehr zur Wehrpflicht.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will damit das Profil seiner Partei schärfen. Man wisse wieder, «wer wir sind, wo wir stehen, was wir wollen», sagte er vor den Delegierten.
Die CDU will einige Akzente neu setzen. Das Grundsatzprogramm ist aber keine Revolution.
Gelingen soll die Profilschärfung mit einem konservativeren Kurs der Partei, die in den Merkel-Jahren eine «Sozialdemokratisierung» durchlaufen hatte – so zumindest die Kritik des rechten Parteiflügels.
In deutschen Medien ist mitunter gar von einem Bruch mit der Ära Merkel zu lesen, der langjährigen Kanzlerin der CDU. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung im bayrischen Tutzing, relativiert allerdings: «Die Partei will einige Akzente neu setzen. Das Grundsatzprogramm ist aber keine Revolution.»
«Nebulöses» in der Asylpolitik
In der Person von Friedrich Merz leitet nun Merkels ewiger Widersacher die Geschicke der CDU. Er will – wenn CDU und CSU grünes Licht geben – der nächste Kanzlerkandidat der Unionsparteien werden. «Denn jeder Tag früher, den dieses Ampel-Schauspiel endet, ist ein guter Tag für Deutschland», verkündete Merz am CDU-Parteitag vom Sonntag.
Die CDU will künftig die Abwicklung von Asylanträgen in Drittstaaten ermöglichen – und folgt damit dem Beispiel von Grossbritannien. Londons umstrittene Pläne sehen vor, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern. Die CDU macht allerdings keine Angaben dazu, welche Länder sie als «sichere Drittstaaten» betrachtet, in dem Asylbewerber auf ihren Bescheid warten sollen.
«Das ist alles noch sehr nebulös», schätzt Münch. Der CDU sei daran gelegen, die Migrationskritik nicht der AfD zu überlassen und eine Wende in der Asylpolitik herbeizuführen. Dies auch in gesamteuropäischer Hinsicht. Gleichzeitig sei sich die CDU aber auch der humanitären Verpflichtungen Deutschlands bewusst. «Man möchte dem Eindruck entgegentreten, dass Deutschland quasi jeden aufnehmen muss, der an die Tür klopft und sich auf das Asylrecht beruft.»
Stärkung der Bundeswehr unbestritten
Mit der schrittweisen Rückkehr zur Wehrpflicht wiederum rennt die CDU offene Türen ein – zumindest in den Reihen der Kanzlerpartei SPD: In der Ampel-Regierung lehnen Grüne und FDP dies zwar ab. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich wegen der Personalprobleme der Bundeswehr aber dafür ausgesprochen.
Was bleibt also vom Papier, das laut CDU-Chef Merz «den Kurs der Partei für die nächsten zehn Jahre abstecken» soll? «Die CDU betont die konservativen Elemente wieder etwas stärker», schliesst Münch. Letztlich gehe es darum, Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückzuholen – und diejenigen ins Boot zu holen, die frustriert über die Ampelkoalition sind.
Diese Gratwanderung spiegelt sich in einem Papier wider, das ohne die ganz grossen Ausrufezeichen auskommt.