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Weltklimagipfel in Glasgow Brasiliens Klimastrategie – späte Einsicht oder Kalkül?

  • Brasilien will den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 halbieren. Das erklärte der Umweltminister am Klimagipfel in Glasgow.
  • Bislang hatte sich die Regierung des südamerikanischen Landes zum Ziel gesetzt, die Emissionen um 43 Prozent zu senken.
  • Umweltverbände beurteilen die neuste Ankündigung mit Skepsis.

Mehr Abholzung, mehr Minentätigkeit, weniger Urwald: Für diesen Kurs stand Brasiliens Regierung bis jetzt. Doch an der Klimakonferenz in Glasgow hat sie nun einen Plan zum Schutz des Klimas vorgelegt.

«Es wird nicht an den Bemühungen unserer Regierung mangeln, um für die Welt zu einem positiven Ergebnis zu kommen», sagte Umweltminister Joaquim Leite. «Heute stellen wir ein neues, noch ambitionierteres Klimaziel vor. Statt 43 werden wir bis 2030 50 Prozent der Emissionen kappen.» Damit zeige Brasilien «wieder einmal seine Verpflichtung gegenüber einem kollektiven Abkommen», so Leite.

Drei Fussballfelder pro Minute

Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren wollte das südamerikanische Land noch aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Und laut einem aktuellen Bericht hat Brasilien im letzten Jahr so viele Treibhausgase ausgestossen wie seit 2006 nicht mehr. Das hat auch mit der Abholzung grosser Gebiete des Regenwalds im Amazonasgebiet zu tun.

Die Regierung macht genau das Gegenteil von dem, was sie verspricht.
Autor: Marcio Astrini Leiter des Observatório do Clima

Die Zerstörung hat unter Präsident Jaír Bolsonaro Rekordwerte erreicht: Drei Fussballfelder pro Minute wurden im vergangenen Jahr abgeholzt. Bolsonaros Regierung zeichne in Glasgow ein völlig unrealistisches Bild ihrer Anstrengungen, sagt Marcio Astrini. Er leitet die brasilianische Umwelt-Denkfabrik Observatório do Clima.

Abgebranntes Stück Regenwald
Legende: Brasilien ist ein zentraler Akteur im Kampf gegen den Klimawandel. Sein Anteil am Amazonasgebiet, einem wichtigen Speicher von CO2, hat die Fläche von Westeuropa. Keystone

«Die Regierung macht genau das Gegenteil von dem, was sie verspricht», sagt Astrini. «Der Durchschnitt der Abholzungen im Amazonas unter Bolsonaro ist 60 Prozent höher als im Jahrzehnt davor.»

Die nun versprochene Halbierung des Treibhausgasausstosses habe Brasilien bereits 2015 unter der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff verkündet. «Während also die ganze Welt ambitioniertere Klimaziele sucht, läuft die Regierung Brasiliens der Vergangenheit hinterher.»

Trick mit einer Gesetzesänderung

Astrini betont, Bolsonaro habe auch das Ende der «illegalen Abholzung» bis 2028 angekündigt. Das sei ein Trick: Der Wald würde wohl trotzdem weiter gefällt, einfach «legal»; durch eine Gesetzesänderung.

Dieser Kritik muss sich Bolsonaro jedoch in Glasgow nicht stellen. Der Präsident bleibt dem Klimagipfel fern, weil er, so heisst es aus Regierungskreisen, schlecht empfangen werden würde.

SRF 4 News, 03.11.2021, 08:12 Uhr

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