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Weltklimarat in Interlaken Politik und Wissenschaft feilschen um jedes Wort bei Klimabericht

Oft ist nicht nur wichtig, was gesagt wird, sondern auch, was nicht gesagt wird. Das zeigt sich derzeit im Berner Oberland. Dort brüten Expertinnen und Experten über den Bericht des Weltklimarats, der am Montag erscheinen soll.

Es ist ein Ringen um jedes Wort. Denn die Meinungen der über 130 Ländervertreterinnen und -vertreter gehen zum Teil massiv auseinander, wie der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengefasst werden kann.

Aus 10'000 sollen 30 Seiten werden, aus sieben Berichten zu unterschiedlichen Themen soll ein Synthesebericht geschrieben und im Konsens verabschiedet werden – ein zäher Prozess, betont der emeritierte ETH-Professor Andreas Fischlin: «Es geht ja darum, dass die Regierungen dies als neusten Stand des Wissens akzeptieren, sobald der Bericht genehmigt ist.»

Schweiz setzt sich für Klartext ein

Fischlin ist schon seit über 30 Jahren für den Weltklimarat aktiv und derzeit Vizepräsident der Arbeitsgruppe, die sich mit der Anpassung an den Klimawandel befasst hat.

Energieminister Albert Rösti hat am 13. März in Interlaken die Konferenz des Weltklimarats eröffnet.
Legende: Energieminister Albert Rösti (hier im Gespräch mit Andreas Fischlin, rechts) hat am 13. März in Interlaken die Konferenz des Weltklimarats eröffnet. admin.ch

Fischlin macht ein Beispiel, das die politischen Schwierigkeiten dieses Prozesses illustriert: «Es gibt Länder wie Saudi-Arabien, die stark vom Erdölexport leben. Wenn die Botschaft ist, dass wir so schnell wie möglich von den fossilen Energieträgern weg müssen, um die Schäden zu minimieren – dann hören das solche Regierungen nicht besonders gern.»

Was zur Folge hat, dass sich diese Länder für schwammige Formulierungen einsetzen. Anders die Schweizer Delegation. Diese macht sich für eine klare Sprache stark, sagt Botschafter Franz Perrez.

Er macht ein Beispiel: «Wir möchten, dass der Synthesebericht die Erkenntnis festhält, dass das 1.5-Grad-Ziel noch erreichbar ist – technisch und weil auch die dafür notwendigen, kostengünstigen Instrumente vorhanden sind. Die Erreichung des Ziels ist nicht nur ökonomisch machbar, sondern auch ökonomisch sinnvoll.»

Keine Medien, dafür NGOs vor Ort

Die Öffentlichkeit, Journalistinnen und Journalisten, sind nicht zugelassen im Konferenzsaal. Nichtregierungsorganisationen dürfen jedoch als Beobachter dabei sein. Zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter der Klimastreik-Bewegung.

Die Länder beziehen sich auf diesen Bericht. Deswegen ist jede einzelne Formulierung im Synthesebericht zentral.
Autor: Meret Schefer Aktivistin beim Klimastreik

Die 19-jährige Meret Schefer hält den Synthesebericht, der hier verabschiedet werden soll, für sehr wichtig. «Es ist die Grundlage unserer Arbeit als Klimastreik. Aber auch die Länder beziehen sich auf diesen Bericht – und die meisten lesen nicht die tausenden Seiten, die im Original geschrieben wurden. Deswegen ist jede einzelne Formulierung zentral.»

Nachtschichten inklusive

Während Nichtregierungsorganisationen sich aufs Beobachten beschränken müssen, können Regierungen Änderungsvorschläge machen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Weltklimarats versuchen, diese dann in Text umzuwandeln, der wissenschaftlich korrekt ist.

Und das scheint zu dauern. Die Verhandlerinnen und Verhandler müssen Nachtschichten schieben und deutlich schneller vorankommen als bisher, wenn der Bericht wie geplant am Montag erscheinen soll.

Rendez-vous, 17.03.2023, 12:30 Uhr

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