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Klimaveränderung Dritter Teil des Weltklimaberichts: Das müssen Sie wissen

Der Weltklimarat hat den dritten Teil des jüngsten Klimaberichts veröffentlicht. Kann die Erderwärmung noch aufgehalten werden? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

    Wie hat sich der Ausstoss von Treibhausgasen seit 2010 entwickelt? Von 2010 bis 2019 hat die Menschheit gemäss dem Bericht des Weltklimarates IPCC einen Sechstel aller Kohlendioxid-Emissionen seit 1850 verursacht. Der Zuwachs ist damit zwar kleiner als in den Jahrzehnten zuvor. Um die Erwärmung insgesamt bei 1.5 Grad zu stabilisieren, müsste der Ausstoss von Treibhausgasen aber schon ab 2025 langfristig sinken.

    Selbst wenn alle Länder die Versprechen, die sie bisher im Rahmen des Pariser Klima-Abkommens abgegeben haben, erfüllen würden, würde es «bei weitem» nicht reichen, die Erwärmung bei 1.5 Grad zu begrenzen. Auch 2 Grad wären kaum machbar. Die beiden bereits früher veröffentlichten Teile des neuen IPCC-Berichts haben deutlich gemacht, dass dies für Mensch und Umwelt gefährlich sein würde.

    Das stimmt die Wissenschafter trotzdem optimistisch: Wichtige Technologien, die zum Erreichen der Begrenzung der Erwärmung auf 1.5. Grad nötig sind, sind jetzt nicht nur verfügbar, sondern auch bezahlbar. So sind im letzten Jahrzehnt Solaranlagen zum Beispiel 85 Prozent günstiger geworden, Windkraftanlagen 55 Prozent und Lithium-Batterien für Elektroautos 85 Prozent. Und die Leistung der global installierten Solarpanels hat sich innert zehn Jahren von ungefähr 20 auf etwa 700 Gigawatt gesteigert. Auch kommen die Wissenschaftler zum Schluss, dass konsequenter Klimaschutz die Lebensqualität und die wirtschaftliche Entwicklung fördert. So sei im Jahr 2050 Wirtschaftswachstum nur noch mit konsequentem Klimaschutz möglich.

Reichen die aktuellen Anstrengungen aus? Die Technologie hat zwar in zehn Jahren einen Quantensprung gemacht – trotzdem ist die Entwicklung viel zu langsam. Denn um das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis spätestens 2025 – also in nur drei Jahren – zu sinken beginnen. Und bis in acht Jahren gar halbiert werden. Dafür müsste zum Beispiel Europa, das in Klimadingen durchaus vorausgeht, seine Investitionen in den Klimaschutz verdoppeln bis vervierfachen.

«Gut unterwegs – aber überhaupt nicht gut genug»

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Anthony Patt ist Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und Mitautor des Weltklimaberichts.
Legende: Anthony Patt ist Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich. SRF

Anthony Patt ist Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und einer der Hauptautoren des Weltklimarat-Berichts. Er beantwortet die Fragen von SRF News.

SRF News: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem dritten Teil des Weltklimaberichts?

Anthony Patt: Leider sind die Emissionen immer noch gestiegen. Aber – die Wachstumsrate hat sich in 10 Jahren von 2.3 auf 1.3 Prozent pro Jahr verringert.

Ist das eine gute Nachricht?
Das ist eine gute Nachricht, aber überhaupt nicht gut genug. Um auf dem Kurs von maximal 1.5 Grad Erwärmung zu bleiben, müssten die Emissionen jährlich um vier Prozent sinken, statt weiter zu steigen.

Mit welcher Klimapolitik könnten diese Ziele noch erreicht werden?
Die Investitionen in erneuerbare Energiesysteme müssten pro Jahr verdoppelt oder verdreifacht werden, etwa Investitionen in Elektroautos. Wir brauchen also eine Politik, die diese Investitionen fördert und langfristig Investitionen in fossile Energien verbietet.

Unser Bericht zeigt, dass maximal 1.5 Grad Erwärmung tatsächlich noch möglich ist. Es gibt jetzt die technischen Möglichkeiten, die nötigen Einsparungen zu machen. Und in den meisten Sektoren ist es zudem auch wirtschaftlich, das zu tun.

In der Schweiz haben wir gesehen, dass die Bevölkerung keine Lenkungsabgaben will. Gibts es Massnahmen, die nützen und welche die Bevölkerung auch mittragen würde?
Es ist eigentlich überall so, dass die Bevölkerung Lenkungsabgaben nicht mag. Es braucht deshalb Fördermassnahmen für Investitionen und Verbote gegen veraltete Technologien.

Das Gespräch hat Urs Gilgen geführt.

Was ist zusätzlich nötig? Auch wenn die Menschheit die ehrgeizige CO₂-Abwärtskurve hinbekäme, wäre es gegen Mitte des Jahrhunderts trotzdem nötig, im grossen Stil CO₂ aus der Luft abzusaugen und im Boden endzulagern. Denn die Erwärmung würde trotz aller Anstrengung zuerst über die 1.5 Grad hinausschiessen und müsste darum wieder reduziert werden. Ob das Absaugen von CO₂ in der nötigen Grössenordnung aber überhaupt machbar sein wird, ist unklar.

Das ist der Weltklimarat

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Im Auftrag des UNO-Weltklimarats (IPCC) tragen Wissenschaftler weltweit den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammen. Der IPCC bietet Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik. Der Weltklimarat tagt in Genf. Die Mitarbeitenden des IPCC arbeiten ehrenamtlich.

Und was kann jeder Einzelne beitragen? Es braucht alle Puzzleteile, um den nötigen Klimaschutz zu erreichen. Unklar ist, wie gut die verschiedenen Massnahmen ineinander greifen: Wenn wir alle unseren Lebensstil klimafreundlich gestalten, könnten wir gemäss IPCC-Bericht allein dadurch den CO₂-Ausstoss bis 2050 um 40 bis 70 Prozent senken. Das würde zum Beispiel heissen, weniger Auto fahren und wenn, dann nur CO₂-neutral, deutlich weniger Fleisch essen, allgemein weniger konsumieren und vieles mehr.

Der jüngste Bericht des Weltklimarates zeigt: Die Anstrengungen zum Klimaschutz müssen deutlich verstärkt werden. Aber es ist nicht unmöglich, das Ziel einer maximalen Erwärmung von 1.5 Grad zu erreichen.

Website des Weltklimarates IPCC

SRF 4 News, 04.04.2022, 17.00 Uhr ; 

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