Frankreichs Regierung definiert die Grenze zwischen hoher und tiefer Arbeitslosigkeit bei 9 Prozent. Zufällig ist dies nicht: Als Emmanuel Macron im Frühling 2017 sein Amt antrat, lag die Arbeitslosigkeit in Frankreich leicht darüber – bei 9.5 Prozent. Seither ist sie gesunken. Mit etwas mehr als 7 Prozent sei sie so tief wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wie Frankreichs Präsident oft betont.
Im europäischen Vergleich ist die Arbeitslosigkeit in Frankreich zwar noch immer hoch. Trotzdem leide die französische Wirtschaft unter Personalmangel und könne offene Stellen nicht besetzen, sagt Arbeitsminister Olivier Dussopt.
Koppelung an Konjunktur
Frankreichs Regierung will das System der Arbeitslosenversicherung ändern. Am Dienstag hat sie die Details präsentiert: Ist die Arbeitslosigkeit hoch, werden Arbeitslosengelder weiterhin gleich lange ausgezahlt wie heute. Das heisst im Normalfall höchstens zwei Jahre, für über 55-jährige Arbeitslose drei Jahre lang. Läuft hingegen die Wirtschaft gut, dann wird die Bezugsdauer um ein Viertel gekürzt.
Die Regierung will das System auf den kommenden Februar umsetzen. Die kürzeren Fristen beim Arbeitslosengeld sollen Druck schaffen und mehr Leute auf den Arbeitsmarkt bringen. Für Unternehmen würde es einfacher, Personal zu finden, sagt Dussopt. Dies die Logik dahinter.
Gewerkschaften reagieren empört
Bei den Gewerkschaften haben diese Vorschläge Empörung ausgelöst. Die neue Regel treffe vor allem ältere Arbeitslose hart. Wer mit über 55 Jahren die Arbeit verliere und keine Anstellung mehr finde, falle neun Monate früher als bisher auf das soziale Minimum zurück, sagt etwa ein Gewerkschafter. Dies sei nicht akzeptabel. Die Regierung wolle in erster Linie auf dem Buckel der Arbeitslosen sparen, kritisiert ein anderer.
Dabei wird Frankreichs Arbeitslosenversicherung bereits in diesem Jahr positiv abschliessen. Sie rechnet mit einem Gewinn von über zwei Milliarden Euro – erstmals nach über zehn defizitären Jahren. Dies, weil die Zahl der Arbeitslosen gesunken ist.
Mehrheit im Parlament ist für das Gesetz
Die Unternehmer dagegen können mit den Vorschlägen der Regierung leben. Bereits im Parlament hatte die Regierung die Mehrheit für das Gesetz dank unterschiedlicher Interessen innerhalb der Opposition gefunden. Die konservativen Républicains stimmten der Reform zu, während sich Linke und Rassemblement National dagegen wehrten.
Für die Regierung ist die Reform der Arbeitslosenversicherung nur ein erster Schritt. Die nächste Etappe hat sie bereits angekündigt: der neue Vorschlag für eine Rentenreform, der Anfang nächstes Jahr ins Parlament kommen soll. Auch diese Vorlage birgt sozialen Sprengstoff.
Gewerkschaften und linke Parteien werden auf der Strasse Widerstand mobilisieren. Die Regierung hat im Parlament keine eigene Mehrheit. Aber sie hofft, dass sie ihr Prestigeprojekt im Parlament – dank Schützenhilfe der Républicans – trotzdem ins Trockene bringen kann.