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Steigende Lebenshaltungskosten Gewerkschaftsbund fordert Mindestlöhne und Prämienverbilligungen

Eine halbe Million Berufstätige in der Schweiz erhalten gemäss dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund weniger als 4500 Franken pro Monat. Damit könne man kaum eine Familie ernähren.

Das Leben wird teurer: Die Preise für Lebensmittel und für Energie sind bereits gesteigen, und nächstes Jahr werden die Krankenkassenprämien und voraussichtlich auch die Mieten folgen. Die tiefen und mittleren Löhne können nicht Schritt halten.

«Unter dem Strich ist weniger Geld vorhanden. Da müssen wir jetzt korrigieren», sagt Daniel Lampart vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Das sei aber keine neue Entwicklung: «In den letzten Jahren ist leider wieder eine Lohnschere aufgegangen.» Bei den Top-Einkommen habe es Lohnerhöhungen gegeben, die tiefen und mittlere Einkommen hätten dagegen stagniert. Dann seien die Krankenkassenprämien gestiegen, so dass die verfügbaren Einkommen unter dem Strich sogar geschrumpft seien.

Das verfügbare Einkommen – was fürs Leben bleibt

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Das verfügbare Einkommen ist das, was bleibt, wenn die fixen Kosten gedeckt sind. Der SGB zieht vom Einkommen die Steuern, Krankenkassenprämien, Mieten und Nebenkosten ab.

Die Krankenkassenprämien und Mieten fallen bei Haushalten mit kleinen Budgets stärker ins Gewicht, darum bleibt ihnen ein kleinerer Anteil des Einkommens zum Leben als jenen mit hohen Einkommen. Wenn die Prämien steigen und die Wohnkosten steigen, trifft sie das darum stärker als jene mit hohen Einkommen.

Weil das verfügbare Einkommen für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sinke, müssten vor allem diese Löhne steigen, fordert Lampart. Denn auch rund ein Viertel der Berufstätigen mit Lehrabschluss verdiene heute weniger als 5000 Franken pro Monat – zu wenig, um eine Familie durchzubringen.

Mehr Lohn für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen

Darum fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund: «Wir verlangen 5000 Franken Lohn für alle, die eine Lehre haben. 4500 Franken für alle Arbeitnehmenden. Und eine substantielle Erhöhung der Prämienverbilligungen, damit der Prämienschock abgemildert wird.»

Mindestlöhne seien nicht der richtige Weg, sagt Simon Wey vom Schweizerischen Arbeitgeberverband: «Im Moment sind gut ausgebildete Leute auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Die Arbeitgeber müssen höhere Löhne zahlen, um die gewünschten Fachkräfte zu finden.»

Vom Fachkräftemangel profitierten aber nur jene Angestellten, die einfach die Stelle wechseln könnten, kontert der Gewerkschafter Lampart. Gerade für ältere Angestellte sei das nicht so einfach.

Guter Ansatz – oder zu starke Einschränkung?

In der wissenschaftlichen Diskussion um den Mindestlohn spielt die Höhe des Mindestlohnes eine entscheidende Rolle. Ist er zu hoch, führt er zu mehr Arbeitslosigkeit. Als Mittel zur Armutsbekämpfung ist er zwar umstritten, weil viele Armutsbetroffene nicht erwerbstätig sind. Aber als Mittel gegen Tieflöhne ist er anerkannt: In Branchen in denen Unternehmen eine marktbeherrschende Position haben und die Löhne selbst setzen können, hilft ein Mindestlohn.

Simon Wey geht es aber nicht um die Höhe des Mindestlohns. «Es macht keinen Sinn, in den Schweizer Arbeitsmarkt einzugreifen, der so gut funktioniere.» 

Dabei habe man gerade in der Schweiz gute Erfahrungen mit Mindestlöhnen gemacht, findet Daniel Lampart: «Die Arbeitslosigkeit sei sowohl in Kantonen mit staatlichen Mindestlöhnen, als auch in jenen ohne gesunken.»

Es gäbe keinen Handlungsbedarf, findet dagegen Wey. «In unterschiedlichen Berufen verdient man halt unterschiedlich viel, das ist schon immer so gewesen. Es ist der Markt, der das entscheidet.» Wenn man sich für einen Beruf entscheide, wisse man ja auch, was das potenzielle Einkommen sein werde.

Die Positionen liegen weit auseinander. Einig sind sich die beiden aber in einem Punkt: Wenn sich die Bevölkerung weniger leisten kann, ist das weder im Interesse der Angestellten und ihrer Familien noch der Wirtschaft. Denn das dämpft den Konsum und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung.

Echo der Zeit, 15.11.2022, 18 Uhr

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