Das Pandemieabkommen der WHO wurde an deren Jahrestagung in Genf von den Mitgliedsländern angenommen. Der Durchbruch nach den dreijährigen Verhandlungen kam aber bereits vor einem Monat. Damals herrschte in Fachkreisen Euphorie. Es war gar von einem Moment für die Geschichtsbücher die Rede.
Im scharfen Gegensatz zu den positiven Reaktionen in der Fachwelt stehen die seit Monaten und Jahren vorgetragenen Bedenken und Kritiken. Von Gesundheitsdiktatur ist da die Rede, die Weltwoche schreibt von totalitären Tendenzen. Die Eidgenössisch-Demokratische Union wirft der WHO vor, nach «umfassender Macht» zu streben und fordert mittels Petition, dass die Schweiz aus der WHO austritt, weil «Zensur, Lockdown-Ausrufung und Impfzwang» drohen. Ein Bündnis aus SVP-Vertreterinnen und -Vertretern, Pro Schweiz und einzelnen bürgerlichen Politikern befürchtet «mehr Bevormundung, weniger Freiheit und weniger Demokratie».
Schwammig formuliert, aber Hauptpunkte enthalten
Nun kann man sich trefflich streiten, ob dieser Pandemievertrag im Falle einer nächsten Pandemie (bei der die Frage gemäss Fachleuten nicht ist, ob sie kommt, sondern wann) wirklich Chaos und Ungerechtigkeiten verhindern kann. Auch Befürworter des Vertrags monieren die vielen schwammigen Formulierungen, die sehr unterschiedlich interpretiert werden können.
Immerhin könnte der Vertrag aber dazu führen, dass einige der grössten Fehler und Ungerechtigkeiten der Covid-19-Pandemie nicht mehr wiederholt werden. Letztlich geht es im WHO-Dokument um Prävention, eine geordnete Beschaffung von Schutzmaterial im Fall einer Pandemie, eine bessere Überwachung von Krankheiten bei Tieren und Menschen sowie darum, dass auch ärmere Länder fair mit Impfstoffen und Medikamenten versorgt werden.
Dass die WHO eine Impfpflicht, Reisebeschränkungen oder Lockdowns verhängen kann, schliesst der Pandemievertrag explizit aus. Gemäss den Fachleuten des BAG hat die WHO weder ein Durchgriffsrecht auf die einzelnen Staaten noch irgendwelche Kontroll- und Sanktionsmechanismen.
Jedes Land entscheidet selbst
Und was ist jetzt mit «Bevormundung, weniger Freiheit und weniger Demokratie»? Oder mit «Gesundheitsdiktatur»? Jedes Land kann selbst entscheiden, ob es dem Vertragswerk beitreten will oder nicht.
Im Fall der Schweiz wird der Bundesrat beurteilen, ob die Vertragsbestimmungen zum Wohl der Schweiz sind. Wenn ja, dann wird er den Pandemievertrag dem Parlament vorlegen. Wenn auch dieses zustimmt, dann kann gegen diesen Entscheid das Referendum ergriffen werden. Wenn die Zweifel also gross sind, wird am Schluss das Volk entscheiden.
Das nennt man Demokratie.