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Wiederaufbau der Ukraine Ignazio Cassis: «Unsere Werte dürfen uns etwas kosten»

Am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos hat Bundesrat Ignazio Cassis die Verantwortung für die Fortführung der Konferenz zum ukrainischen Wiederaufbau symbolisch an die britische Regierung übergeben. Die Kriegsschäden durch den Aggressionskrieg Russlands dürften viele hundert Milliarden Dollar betragen.

Ignazio Cassis

Bundesrat

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Ignazio Cassis ist seit 2017 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Er wurde 1961 geboren, studierte Humanmedizin, promovierte an der Universität Lausanne und machte einen Master in Public Health. Von 1997 bis 2008 war er Kantonsarzt des Tessins. Cassis war dann während zweier Jahre Präsident der Bundeshausfraktion der Liberalen (FDP), der er seit seiner Wahl in den Nationalrat im Juni 2007 angehört. Von 2015 bis 2017 hatte er das Präsidium der Nationalratskommission für soziale Sicherheit und Gesundheit inne. Cassis war im Jahr 2022 Bundespräsident.

SRF News: Jetzt geht die Lugano-Konferenz nach London. Was erwarten Sie von den Briten?

Ignazio Cassis: Dass sie den Schwung übernehmen und mit vollem Engagement eine gute Konferenz in London organisieren. Diese wird sich selbstverständlich nächstes Mal mit anderen Themen und mit anderen Prioritäten befassen.

Cassis und weitere Politiker an einem Tisch, Flaggen der Schweiz, Ukraine und Grossbritanniens auf dem Tisch.
Legende: Aussenminister Cassis hat am WEF die Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine an die britische Regierung übergeben. Keystone/Laurent Gillieron

Beim Wiederaufbau wird es um viel Geld gehen. Sie haben erwähnt, dass die Schweiz bisher 300 Millionen geleistet hat. Muss die Schweiz noch mehr Geld ausgeben für den Wiederaufbau in der Ukraine?

Diese 250, 300 Millionen sind nur das, was der Bund geleistet hat. Die Schweiz insgesamt hat viel mehr geleistet. Die Kantone, die Städte, die privaten Organisationen, die Stiftungen und weitere Akteure haben viel getan. Dazu kommen die Kosten, welche wir im Moment für die Flüchtlinge aus der Ukraine haben, die in der Schweiz Schutz gesucht haben. Dies sind etwa 1.5 Milliarden Franken bis heute.

Es ist ein Krieg für unsere Werte, die uns auch etwas kosten dürfen.

Wir nehmen teil an den Kosten dieses Krieges. Es ist ein Krieg für unsere Werte, die uns auch etwas kosten dürfen. Es wurde eine Koordinationsplattform in Brüssel etabliert, bei welcher wir ebenfalls dabei sein werden. Dann wird es um Diskussion über Milliarden gehen, nicht mehr um Millionen. Das wird auch in der Schweiz ein grosses Thema sein. Aber wir sind noch nicht so weit.

Wird die Schweiz mehr Geld ausgeben müssen, wenn es um Milliarden geht?

Ja, das ist sicher. Wir werden mehr Geld ausgeben müssen, wie auch die internationale Gemeinschaft. Das wird von der Schweiz erwartet. Und der Bundesrat hat diese Antwort bei verschiedenen parlamentarischen Vorstösse schon gegeben. Wir sind willig. Am Schluss entscheidet das Parlament. Aber wir sind willig im Bundesrat, hier unseren Anteil der Verantwortung zu übernehmen.

Ist es möglich, dass gesperrte russische Vermögen für den Wiederaufbau verwendet werden?

Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Es ist eine wichtige Finanzierungsquelle. Schäden, die verursacht werden, müssen vom Aggressor repariert werden. Dieses Prinzip gilt. Wir müssen nur innerhalb des rechtlichen Rahmens handeln. Im Moment hat es in der Schweiz keinen rechtlichen Rahmen für die Einholung von gefrorenen Geldern. Es gibt nur einen Rahmen für andere Fälle. In praktisch allen europäischen und in vielen anderen Ländern der Welt steht diese Frage im Raum. Deshalb ist ein koordiniertes Vorgehen international enorm wichtig.

Man kann die nationale und die internationale Ordnung ändern. Das Recht ist eine Struktur, die die Menschen machen.

Wir müssen Lösungen suchen, die mit der Menschenrechtscharta kompatibel sind. Vergessen wir nicht, dass das Eigentumsrecht ein Menschenrecht ist. Mit diesem Thema beschäftigt man sich gerade in der UNO. Wir sind auch mit der EU in Kontakt. Zudem arbeiten wir in einer Arbeitsgruppe und mit den G7 zusammen. Auch gibt es interne Überlegungen und parlamentarische Anfragen und Vorstösse, was gemacht werden könnte.

Aber eben: Man kann die rechtliche Ordnung national ändern...

Man kann die nationale und die internationale Ordnung ändern. Das Recht ist eine Struktur, die die Menschen machen.

Das Gespräch führte Oliver Washington.

HeuteMorgen, 19.01.2023, 06:00 Uhr ; 

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