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Wiederwahl von Präsident Duda Ein siegreiches Staatsoberhaupt, viele Verlierer

Ganz knapp, mit 52 Prozent der Stimmen, hat Polens Staatspräsident Andrzej Duda die Wiederwahl geschafft. Nun, da der Präsident des konservativ-nationalistischen Regierungslagers im Amt bleibt, stellt sich erst recht die Frage, wie viel Demokratie im fünftgrössten Land der Europäischen Union verloren geht.

Jene Hälfte Polens, die Dudas Gegner gewählt hat, den liberalen Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski, hält die Wahl für unfair. Aus gutem Grund: Mitten in der Corona-Pandemie wurde sie ganz kurzfristig auf fragwürdige Art verschoben.

Ergebnis: Amtsinhaber Duda war monatelang auf allen Kanälen, Herausforderer Trzaskowski, neu im Rennen, hatte kaum Zeit für seine Kampagne. Das Staatsfernsehen, eigentlich verpflichtet zu Ausgeglichenheit, machte dreist Wahlkampf für Duda. Und viele Polinnen und Polen im Ausland erhielten die Wahlcouverts wegen der Coronakrise nicht rechtzeitig zugestellt.

Glaube an faire Wahlen geht verloren

Die Wahl dürfte aus all diesen Gründen angefochten werden vor Gericht – doch viele Menschen werden wohl zweifeln an der Fairness des Urteils. Denn das Gericht, das über die polnische Präsidentschaft richtet, gilt als politisch besetzt – dort entscheiden Leute, die das Regierungslager, Dudas Lager, eingesetzt hat. Obwohl der höchste EU-Gerichtshof kürzlich gesagt hat: Das geht so nicht. Der Glaube an faire Wahlen geht wohl verloren.

Regierung, Präsident und der entscheidende Teil des Parlaments gehören nun weiterhin zum konservativ-nationalistischen Lager, dieses kann jahrelang komfortabel durchregieren. Beobachter gehen davon aus, dass dies jene Richterinnen und Staatsanwälte zu spüren bekommen, die ihr Amt noch nicht primär aus politischen Gründen bekommen haben.

Die polnische Regierung dürfte versuchen, sie loszuwerden und praktische alle Stellen im Justizapparat neu zu besetzen. Die Unabhängigkeit der Justiz geht wohl verloren – oder was davon noch übrig ist.

Zivilgesellschaft als Verliererin

Die Regierung dürfte ihre Machtfülle nun auch gegen Medien und Nichtregierungsorganisationen ausspielen. Im Wahlkampf warf Präsident Duda deutschen Medien – und damit Deutschland – vor, sie unterstützten Gegner Trzaskowski.

Die polnische Regierung träumt davon, polnische Medien in ausländischem Besitz aufzukaufen und zu «polonisieren», auf Linie zu bringen. Und davon, Organisationen zu schwächen, die sich ihr in den Weg stellen, zum Beispiel Umweltschützer. Diese sollen Gelder aus dem Ausland angeben müssen – als gäbe es ausländische Verschwörungen gegen Polen. Verliererin ist wohl die Zivilgesellschaft.

Und dann: Schwule, Lesben, Transsexuelle. Präsident Duda hat im Wahlkampf immer wieder gesagt, ihre «Ideologie» bedrohe Polen. Er will Adoption für Homosexuelle in der Verfassung verbieten lassen. Verlierer sind wohl alle, die nicht dem konservativ-katholischen Weltbild des Regierungslagers entsprechen.

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

SRF 4 News; 13.07.20; 12:00 Uhr

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