SRF News: Der Wunsch nach einem engeren Zusammenschluss mit den USA existiert in Puerto Rico schon länger. Warum hat man gerade jetzt darüber abgestimmt?
Beat Soltermann: Die Partei, die die aktuelle Regierung stellt, möchte schon länger, dass Puerto Rico ein Bundesstaat der USA wird. Es ist also keine Überraschung, dass sie diese Abstimmung gepusht hat. Gerade jetzt, da die Karibik-Insel in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt. Zudem hat das Land 74 Milliarden Dollar Staatsschulden und 49 Milliarden Pensions-Verpflichtungen, die es bezahlen muss. Puerto Rico erhofft sich nun, als vollwertiges Mitglied der USA all diese Probleme besser anpacken zu können.
In Washington gibt es kein Interesse, die Zahl der Gliedstaaten zu erhöhen.
Das Resultat der Abstimmung ist nicht bindend. Entscheiden kann nur das Parlament in Washington. Wie stehen die Chancen für Puerto Rico?
Praktisch bei Null. Das hat mehrere Gründe. Erstens gibt es in Washington kein Interesse, die Zahl der Gliedstaaten zu erhöhen. Zweitens ist auch die Abstimmung in Puerto Rico selbst zu hinterfragen: Die Vorlage wurde mit 97 Prozent angenommen – wäre die Abstimmung korrekt durchgeführt worden, läge die Zahl wohl tiefer, selbst wenn die Stimmbeteiligung bei nur 23 Prozent lag. Tatsächlich haben jene, die unabhängig bleiben wollen, die Abstimmung boykottiert. Aus alle diesen Gründen ist das Ergebnis nicht viel wert.
Würde die Aufnahme des tief verschuldeten Puerto Rico die USA vor allem viel kosten?
Ja, das ist ein weiterer Grund für eine Absage aus Washington. Zwar müssten die USA all diese Schulden nicht bezahlen, aber es würde viel mehr Geld aus der US-Bundeskasse an Puerto Rico fliessen. Kommt hinzu, dass die Puerto Ricaner in Washington keine starke Lobby haben.
Es gibt aber durchaus Gründe, die für eine Staatenlösung sprechen: Als US-Bundesstaat hätte Puerto Rico ein anderes Konkursrecht, eines, das einen Schuldenschnitt erlaubt. Die Gläubiger des Landes – dazu gehören sowohl Hedgefonds wie Arbeitnehmer, weil viele Pensionskassen Obligationen aus Puerto Rico halten – sind natürlich dagegen. Sie alle würden verlieren. Doch ohne Schuldenschritt ist ein Abbau der 74 Milliarden Dollar Schulden für die Insel mit ihren drei Millionen meist bitterarmen Bewohnern faktisch nicht zu bewältigen.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.