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WTO-Verhandlungen in Genf Corona-Impfstoffe: Patentschutz soll gelockert werden

  • Nach zwei Nachtsitzungen haben sich Vertreterinnen und Vertreter der 164 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) auf ein beschränktes Aussetzen von Covid-Impfstoffpatenten geeinigt.
  • Damit soll die Produktion von Impfstoffen in mehr Ländern ermöglicht werden. Die Reaktionen darauf sind gemischt.

Die Handelsministerinnen und -minister der WTO-Länder haben sich kurz vor Sonnenaufgang gegenseitig auf die Schulter geklopft; stolz, beim Patentschutz von Corona-Impfstoffen eine Einigung errungen zu haben.

Weitere Beschlüsse der WTO in Kürze

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  • Die WTO-Länder verabschiedeten ein Fischerei-Abkommen, das schädliche Subventionen für illegale und unregulierte Fischerei verbietet.
  • Das Welternährungsprogramm soll nicht durch Ausfuhreinschränkungen behindert werden, ausser diese dienen dazu, die eigene Bevölkerung adäquat zu versorgen.
  • Die Mitglieder sprachen sich dafür aus, nach zehn Jahren schleppender Verhandlungen über multilaterale Verträge die entsprechenden Reformen an die Hand zu nehmen.
  • Der teils brach liegende Streitschlichtungsmechanismus soll in zwei Jahren wieder funktionieren.
  • Eine Vereinbarung, vorerst keine Zölle im internationalen digitalen Handel zu erheben, wurde verlängert.
  • Die geplante Vereinbarung über neue Agrarverhandlungen kam nicht zustande.

Der Kompromiss sieht vor, dass künftig mehr Länder als bisher Impfstoffe produzieren dürfen. Impfstoffe, die die Pharmabranche zuvor entwickelt hatte. Der Patentschutz dieser Impfstoffe wird dazu vorübergehend ausgesetzt. Interpharma und Science Industries, die beiden Verbände, die die Schweizer Pharmabranche vertreten, reagierten enttäuscht: Der Entscheid bringe nichts, sende aber ein negatives Signal an alle, die künftig Impfstoffe entwickeln könnten.

Organisationen hatten sich mehr gewünscht

Die Verbände befürchten, dass die WTO nun einen «gefährlichen Präzedenzfall» geschaffen haben könnte, dass also künftig der Patentschutz für Pharmaprodukte einfacher aufgeweicht werden könnte.

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala am Tisch zwischen anderen WTO-Vertretern
Legende: WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala (Mitte) bei ihrer Abschlussrede in Genf. Sie sprach von den «grössten Fortschritten aller Zeiten», die an dem Treffen gemacht worden seien. Reuters

Zivil- und Hilfsorganisationen reagieren ebenfalls enttäuscht auf den WTO-Entscheid. Allerdings aus völlig anderen Gründen. Sie sprechen von einem Scheinabkommen, das nichts bringe. So sagt etwa Patrick Durisch von der Nichtregierungsorganisation Public Eye: «Es wird kaum eine Möglichkeit geben, dass Entwicklungsländer auch Impfstoffe produzieren. Denn es wird zu lange gehen.» Tatsächlich wollten Länder wie Indien und Südafrika bei den Verhandlungen deutlich mehr erreichen.

Sie wollten nicht nur meist westliche entwickelte Corona-Impfstoffe selber produzieren, sie wollten vielmehr auch Medikamente und Diagnostika, die bei Covid-Erkrankten eingesetzt werden, selber herstellen dürfen. Das bleibt ihnen nun vorerst verwehrt. Denn hier bleibt der Patentschutz bestehen. Wirklich zufrieden mit dem Abkommen scheint letztlich nur die WTO zu sein. Sie ist heilfroh, wenigstens mal wieder einen Kompromiss unter Dach und Fach gebracht zu haben.

Schweiz durch Bundesrat Parmelin vertreten

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Parmelin
Legende: Keystone

Vertreten wurde die Schweizer Delegation an der 12. WTO-Ministerkonferenz von Bundesrat Guy Parmelin und Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, Direktorin des Seco. Die 164 WTO-Ministerinnen und Minister verabschiedeten Beschlüsse und Erklärungen zum Beispiel betreffend Ernährungssicherheit, zur Covid-19-Pandemie oder der schädlichen Fischereisubsektionen.

Zudem hat Parmelin zusammen mit Costa Rica, Fidschi, Island und Norwegen auf Einladung des neuseeländischen Handelsministers Damien O'Connor den Stand der Verhandlungen zum plurilateralen Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (ACCTS) erörtert. Ferner hat die Schweizer Delegation Vertreterinnen und Vertreter der G10-Länder eingeladen, um die Prioritäten bezüglich der WTO-Agrarthemen abzustimmen.

HeuteMorgen, 17.06.2022, 06:00 Uhr ; 

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