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WTO-Konferenz in Genf An der WTO-Konferenz wird um Impfstoffpatente gestritten

Die Verhandlungen der 164 WTO-Mitglieder in Genf gestalten sich schwierig. Die Ministerkonferenz wurde gar verlängert.

Im ersten Jahr der Pandemie, im Oktober 2020, hatten sich Indien und Südafrika dafür stark gemacht, dass das sogenannte TRIPS-Abkommen gelockert wird, ein Abkommen rund um die Rechte für geistiges Eigentum. Die Idee: Wenn der Patentschutz während der Pandemie fällt, erhalten ärmere Länder besseren Zugang zu Covid-Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika.

Die Schweiz als Standort grosser Pharmakonzerne wehrte sich jedoch vehement gegen diese Bemühungen. Und diese Haltung bekräftigte Bundesrat Guy Parmelin am Mittwochnachmittag am Rand der WTO-Konferenz erneut. Das sei ein falsches Signal für die privat finanzierte Forschung.

Geistiges Eigentum als Anreiz

«Geistiges Eigentum ist für unsere Industrie sehr wichtig, aber auch für Impfungen. Das ist sehr wichtig, damit die Anreize für die Unternehmen bleiben, damit ein gewisser Schutz bleibt», sagt Parmelin. Denn seien die Anreize nicht mehr da, «ist es die ganze Welt, die penalisiert ist.» Er befürchtet einen Präzedenzfall, dass also künftig bei jeder Pandemie der Patentschutz fallen könnte.

Auf dem Verhandlungstisch der Delegationen liegt nun ein Vorschlag, der den Patentschutz nur teilweise lockern will. Er beschränkt sich zudem auf Impfungen. Für Felipe de Carvalho des NGOs Médecins Sans Frontières (MSF) ist dieser Entwurf ein Affront.

In einer Pandemie müssten Länder zusammenarbeiten, um Medizinalprodukte zu teilen. Und um die rechtliche Basis zu schaffen, damit diese schnell in grossem Stil produziert und allen zugänglich gemacht werden können. Dieser Entwurf verunmögliche das», so de Carvalho.

Lautstark wehrten sich Vertreterinnen und Vertreter von 150 NGOs gegen diesen Entwurf. Die Verhandlungen drohten zu scheitern, auf Kosten Millionen von Menschen in ärmeren Ländern. Und die Schuldigen, so Anna Marriot von Oxfam, seien die reichen Länder. Namentlich die EU, Grossbritannien, die USA – und die Schweiz.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin weist diese Kritik zurück. «Man designiert die Schweiz. Es sind andere Länder, die auch sehr skeptisch sind. Und es sind Länder, die nichts sagen, aber die denken.»

Die Verhandlungen stehen auf Messers Schneide, entsprechend laut werden Positionen markiert. Gleichzeitig versuchen die Delegationen hinter verschlossenen Türen grössere Verhandlungspakete zu schnüren.

Es gibt immer Risiken, wenn man Pakete verhandelt.
Autor: Guy Parmelin Bundesrat

Will heissen: Die Länder wägen ab, ob Zugeständnisse beim Patentschutz allenfalls von Gegengeschäften bei anderen grossen Handelsthemen wie Landwirtschaft, Internet-Handel oder Fischerei-Subventionen abhängig gemacht werden könnten.

Ein riskantes Unterfangen, wenn zum Beispiel Impfschutz mit Steuergeschenken aufgewogen wird. Doch Bundesrat Guy Parmelin relativiert: «Es gibt immer Risiken, wenn man Pakete verhandelt. Aber es sind noch höhere Risiken, wenn man ein Thema diskutiert, das sehr kontrovers ist.»

Geduld ist gefordert

Die Verhandlungen rund um den Patentschutz in der Pandemiebekämpfung werden am Donnerstag weitergeführt – ebenso die Diskussionen um weitere Themen. Es brauche nun Geduld.

Doch: Ein Vermischen verschiedener Verhandlungsthemen könnte zur Folge haben, dass die WTO-Ministerkonferenz erneut ohne zumindest ein konkretes Abkommen endet. Und das würde die Position der WTO als Wächterin des Welthandels weiter schwächen.

Echo der Zeit, 15.06.2022, 18 Uhr

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