Anfang Juli kündigte der Tech-Milliardär Elon Musk an, eine eigene Partei zu gründen. Wenn das Land durch Verschwendung und Korruption in den Bankrott getrieben werde, lebe man in einem Einparteiensystem und nicht in einer Demokratie, begründete Musk seinen Schritt auf seiner Plattform X.
Diese Ankündigung ist der Höhepunkt der Auseinandersetzung mit US-Präsident Donald Trump, den er im Wahlkampf mit mehr als 250 Millionen Dollar unterstützt hatte.
Aber wie gefährlich kann Musk für die Republikaner wirklich werden? Woran liegt es eigentlich, dass eine der ältesten Demokratien der Welt nur von zwei Parteien regiert wird? Und wie kann es Musks Partei schaffen, künftig in der US-Politik eine Rolle zu spielen? Eine Anleitung.
1. Bürokratische und rechtliche Hürden
Will Elon Musk seine neue «America Party» als nationale Partei aufstellen, dann müsste er sie als erstes bei der zuständigen Kommission auf Bundesebene – der Federal Election Commission (FEC) – registrieren.
Dafür müsste er unter anderem ein Parteiprogramm erarbeiten und ein Bankkonto eröffnen. Im Moment erfüllen landesweit etwa 50 Parteien die nötigen Kriterien dazu. Aber nur 2 Parteien sind in allen 50 Bundesstaaten und dem District of Columbia vertreten: die Demokratische und die Republikanische Partei.
Hinzu kommt: Im föderalistischen System der USA hat jeder der 50 Gliedstaaten seine eigenen Regeln und Verfahren. Wer eine Partei gründen möchte und auf die Wahlzettel kommen will, muss dabei eine Reihe bürokratischer und juristischer Prozesse durchlaufen. Nicht selten sind diese schwierig zu erfüllen.
So sind in vielen Staaten Unterschriften nötig, um überhaupt auf den Wahlzettel zu kommen. In Texas beispielsweise braucht ein unabhängiger Kandidat rund 83'000 Unterschriften von registrierten Wählenden innert 75 Tagen, wobei diese vorher nicht an parteiinternen Vorwahlen teilgenommen haben dürfen.
Viele Bundesstaaten fordern mögliche Parteien zudem dazu auf, bei vorangehenden Wahlen einen gewissen Prozentsatz erreicht zu haben. Das ist naturgemäss schwierig für neue Parteien. Umgehen können sie das etwa, in dem sie Unabhängige dazu bewegen, für sie anzutreten. Ist das keine Option, besteht mancherorts zudem die Möglichkeit, eine Petition zu starten – möglich im wichtigen Swing State Georgia, wenn man 1 Prozent aller registrierten Wähler erreicht.
2. Das «Winner takes it all»-System
Nach dem administrativen Aufwand wartet die wohl grösste Herausforderung: das Mehrheitswahlrecht. Dieses schreibt vor, dass bei einer Wahl der- oder diejenige gewinnt, die am meisten Stimmen erhalten hat. Man spricht darum vom «Winner takes it all»-Prinzip.
Beim Verhältniswahlrecht (auch Proporz genannt), wie es zum Beispiel in der Schweiz bei Nationalratswahlen zur Anwendung kommt, sind auch kleinere Parteien mit vergleichsweise wenig Stimmen vertreten. Ganz anders in den USA: Da macht es das relative Mehrheitswahlrecht Kandidierenden einer kleinen Partei viel schwerer, einen Sitz im Repräsentantenhaus zu holen, da in jedem Wahlbezirk die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt.
Das US-System ist darauf ausgerichtet, stabile Regierungen anstelle von Koalitionen zu bilden. Den Wählerwillen verzerrt es jedoch.
Und: Das System schafft aktiv Anreize für die Existenz von nur zwei starken Parteien. Denn das «Winner takes it all»-Prinzip führt zudem dazu, dass sich kleinere Parteien gar nicht erst aufstellen lassen und viele Wahlberechtigte ihre Stimme für eine der grossen Parteien einlegen, um ihr mehr Wirkung zu verleihen.
3. Fehlende Ressourcen
«Die US-Politik ist stark kandidatenzentriert», erklärt USA-Expertin und Privatdozentin Claudia Brühwiler. Weil talentiertes Personal aber rar ist, ist es für neue Parteien schwierig, dieses zu rekrutieren. Bekannte Politikerinnen und Politiker würden es sich zweimal überlegen, die eigene Partei zu verlassen. Brühwiler erklärt das am Beispiel des republikanischen Senators Ted Cruz: «Er würde seine ‹brand recognition› verlieren und müsste sich Konkurrentinnen und Konkurrenten auf demokratischer und republikanischer Seite stellen.»
In den USA werden für Wahlkämpfe regelmässig ganze Apparate aufgebaut – mit dem klaren Ziel, maximale Aufmerksamkeit zu erzielen. Sei es durch Auftritte bei TV-Debatten, klassischer TV-Werbung, Social-Media-Präsenz, aber auch mit dem sogenannten «Ground Game» – der Basisarbeit bei den Wählerinnen und Wählern. Dafür engagieren Kampagnen je nach Grösse oftmals ganze Heerscharen an freiwilligen Helferinnen und Helfern.
All das kostet viel Geld: Neben TV-Spots, Löhnen oder Veranstaltungen fliesst das auch Anwältinnen und Anwälten zu, die dafür sorgen, die Partei vor bürokratischen Angriffen (siehe Punkt 1) zu schützen. Doch auch der reichste Mann der Welt dürfte bei den Ausgaben an seine Grenzen kommen, wie Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt USA an der Freien Universität Berlin, erklärt. «Selbst wenn Elon Musk mit seinem vielen Geld antritt, braucht er trotzdem ein Netzwerk von hauptsächlich kleineren Spenderinnen und Spendern, um seine Wahlkämpfe zu finanzieren.» Das US-amerikanische Recht kenne strikte Vorgaben bei der Finanzierung von Wahlkämpfen.
4. (K)eine inhaltliche Nische
Historisch gesehen haben Parteien im politischen System der USA eine schwache Stellung. In der Verfassung sind sie eigentlich gar nicht vorgesehen. Dennoch sind in über 250 Jahren US-Geschichte immer wieder Parteien gekommen und gegangen: etwa die Federalists, die Whigs, die Know-Nothings oder die Progressives. Ihr Ende wurde oft durch wichtige Wegmarken der US-Geschichte eingeläutet wie dem Bürgerkrieg oder dem Ende der europäischen Masseneinwanderung. Themen wie die Sklaverei oder die Einwanderung verloren an Bedeutung oder wurden von anderen Parteien absorbiert.
Seit rund 100 Jahren herrscht das Duopol von Demokraten und Republikanern. Doch auch innerhalb dieser Grossparteien kommt es zuweilen zu Umwälzungen. Bis zum Ende der 1960er-Jahre etwa dominierte die Demokratische Partei ein Jahrhundert lang den Süden der USA. Das änderte sich mit der sogenannten «Southern Strategy» verschiedener republikanischer Kandidaten. Seither lässt sich eine starke Polarisierung im Land entlang eines Stadt-Land-Grabens erkennen.
Die bewegte Geschichte von Drittparteien in den USA
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Bild 1 von 10. Viele der Gründerväter standen politischen Parteien skeptisch gegenüber. Sie verfolgten das Ideal einer überparteilichen Republik (in dieser undatierten Aufnahme sind unter anderem Alexander Hamilton und Thomas Jefferson zu sehen). Bildquelle: IMAGO / Photo12.
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Bild 2 von 10. Erst mit der Zeit entwickelten sich Parteien. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts mit dem Bürgerkrieg (1861 bis 1865) formten sich die beiden grossen Parteien der Demokraten und der Republikaner als wichtige Wegmarker. Bildquelle: IMAGO / Album.
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Bild 3 von 10. Ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam eine weitere Kraft auf die Bühne: Die migrationskritische America Party, die im Volksmund den Namen Know-Nothings hatte. Bildquelle: IMAGO / Newscom World.
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Bild 4 von 10. Um die Jahrhundertwende durchlief das Land weitere Umwälzungen, die in der sogenannten «Progressive Era» mündeten. Ihr bekanntester Sprecher war der zweimalige Präsident Theodore Roosevelt. Er begann seine Karriere als Republikaner, gründete 1912 aber die Progressive Party. Bildquelle: IMAGO / GRANGER Historical Picture Archive.
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Bild 5 von 10. 1968 entschied sich der demokratische Gouverneur von Alabama, George Wallace, die Partei zu verlassen und für die American Independent Party anzutreten. Anlass für den Streit war die Rassentrennung gewesen. Bildquelle: IMAGO / United Archives International.
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Bild 6 von 10. 1992 gelang dem texanischen Milliardär Ross Perot ein historisches Resultat. Als er als Vertreter der Reform Party bei den Präsidentschaftswahlen auf knapp 19 Prozent der Stimmen kam. Bildquelle: IMAGO / ZUMA Press Wire.
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Bild 7 von 10. Nicht ganz so viele Stimmen (knapp 3 Millionen) erhielt 2000 der Kandidat der Grünen: Ralph Nader. Von vielen wurde er in der knappsten Wahl der Geschichte aber zum Spielverderber. Bildquelle: AP Photo / Amy E. Conn.
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Bild 8 von 10. Ab 2010 kam es innerhalb der Republikanischen Partei zu starken Umwälzungen, als die sogenannte Tea Party das Partei-Establishment herausforderte. Bildquelle: AP Photo / Whitney Curtis.
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Bild 9 von 10. Die Grüne-Kandidatin Jill Stein holte in den Wahlen von 2012, 2016 und 2024 jeweils zwischen einer halben und anderthalb Millionen Stimmen. Bildquelle: AP Photo / Elise Amendola.
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Bild 10 von 10. Laut USA-Expertin Claudia Brühwiler haben sich die beiden grossen Parteien in den USA seit der ersten Wahl Donald Trumps 2016 grundlegend verändert: «Die Republikaner sind zur Arbeiterpartei mutiert.». Bildquelle: AP Photo / Julia Demaree Nikhinson.
Wo also könnte Elon Musk mit seiner Partei in einem solch festgefahrenen System punkten? Welche Wählerinnen und Wähler würde er erreichen? Und welche Themen könnte er bearbeiten? USA-Kennerin Claudia Brühwiler sieht wenig Chancen: «Es gibt keine Musk-Bewegung.» In seiner relativ kurzen politischen Karriere habe er vor allem die hohe Staatsverschuldung kritisiert und mehr Technologieoffenheit gefordert. Diese Felder würden allerdings schon von der Libertarian Party beackert.
5. Fokus setzen
Die Voraussetzungen für Drittparteien in den USA sind also alles andere als günstig. Elon Musk steht darum vor schwierigen Entscheidungen: Welche Ziele möchte er mit seiner neuen Partei verfolgen? Will er einen Präsidentschaftskandidaten aufstellen oder sich auf die Kongresswahlen fokussieren? Will er vor allem Donald Trump oder gar der Republikanischen Partei als Ganzes weh tun?
Bei den kommenden Midterms müsste seine Partei nicht sehr erfolgreich sein, um das Ergebnis womöglich zu beeinflussen. Würde es Musk gelingen, einige wenige Senatoren und Abgeordnete zu stellen, würde seine Partei bei den knappen Mehrheitsverhältnissen im Parlament zum Zünglein an der Waage.
Welchen Einfluss Drittparteien haben können, zeigte sich bei der Präsidentschaftswahl 2000, als die Grünen Ralph Nader als relativ populären Kandidaten aufstellten. Obwohl er lediglich auf rund drei Prozent der Stimmen kam, wurde er von vielen US-Politanalysten für Al Gores Wahlniederlage gegen George W. Bush verantwortlich gemacht. Ähnlich war die Lage 1992, als dem Aussenseiter Ross Perot mit fast 30 Prozent der Stimmen ein Achtungserfolg gelang, der für viele das Ende der Präsidentschaft von George H. W. Bush bedeutete.