In Syrien begann vor zehn Jahren alles voller Hoffnung. Die Protestbewegung des «Arabischen Frühlings» sollte auch in dem Vielvölkerstaat die politische Öffnung bringen. Doch es kam anders.
Das Regime Assad setzte auf Spaltung, der Krieg zerriss das Land, tötete Hunderttausende und machte Millionen zu Flüchtlingen. Zehn Jahre später ist die Not unbeschreiblich und die Mittel der Hilfsorganisationen reichen nirgends hin.
Adnan Hizam schildert den Alltag in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er arbeitet für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und sieht, wie die Menschen in Damaskus versuchen, einen Schein von Normalität aufrechtzuerhalten. Und wie schwer es ihnen fällt.
Ein ausgezehrtes Land
«Vor den Bäckereien mit dem subventionierten Brot bilden sich lange Schlangen, ebenso an den Tankstellen», sagt Hizam. Manche Nahrungsmittel sind heute dreimal so teuer wie noch vor einem Jahr. Das Zentrum von Damaskus wurde von Kämpfen verschont, und doch sei die Not auch in der Hauptstadt an jeder Ecke greifbar.
Ganze Landstriche im Norden und Osten Syriens entziehen sich noch der Kontrolle der Regierung, um sie wird sporadisch weitergekämpft. Dort ist das Leid besonders schlimm. Alle wichtigen Städte und ihr Umland sind in der Hand des Regimes, zum Teil seit Jahren wieder. Stabilität ist deswegen nicht eingekehrt.
«Syrien insgesamt steckt in einer schweren Krise», sagt der Sprecher des IKRK in Damaskus. Die Landeswährung zerfällt. Erst diese Woche stürzte sie auf ein neues Rekordtief ab. Das hat auch mit dem Kollaps des Bankensystems im benachbarten Libanon zu tun.
Syrien war davon abhängig. Auch liegt es selbst unter Sanktionen, leidet an hausgemachter Korruption und einem Konflikt, der das Land zum strategischen Spielball der Regionalmächte werden liess.
Corona verfestigt das Elend
Die Wirtschaftskrise bedroht Existenzen. Inzwischen hat die Hälfte der Bevölkerung keine Arbeit mehr. Über achtzig Prozent der Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Schwer gezeichnet ist auch das Gesundheitswesen.
«Die Hälfte der Spitäler oder Krankenstationen funktionieren nicht oder nur teilweise», sagt Hizam. Und das mitten in der Coronakrise, welche die Not noch einmal vergrössert, die Bereitschaft vieler Staaten zur Hilfe im Ausland aber senkt.
Doch die Staatengemeinschaft dürfe nicht wegschauen. Die syrische Bevölkerung brauche dringend Unterstützung, so der IKRK-Vertreter. Seine Hilfsorganisation legt zugleich eine Studie vor, die verdeutlicht, wie tief zehn Jahre Krieg die syrische Gesellschaft zerrissen haben.
Von den in Syrien befragten Jugendlichen gibt die Hälfte an, sie hätten im Krieg einen Angehörigen oder engen Freund verloren. Ebenso viele sagen, sie seien gezwungen gewesen, ihr Haus zu verlassen. Der Krieg machte zwölf Millionen Syrerinnen und Syrer zu Flüchtlingen, versprengt innerhalb Syriens oder in Nachbarländer und die halbe Welt.
Die meisten haben ihre Heimat seit Jahren nicht mehr gesehen und ebenso lange viele Familienmitglieder nicht mehr in die Arme geschlossen. Nicht nur materiell, auch psychisch seien die Schäden des Kriegs enorm, so Adnan Hizam vom IKRK.