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Zeid al-Hussein vor UNO-Menschenrechtsrat
Legende: Zeid al-Husseins letzte grosse Rede als UNO-Hochkommissar vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Keystone

Zeid al-Hussein Der Prinz der Menschenrechte geht

Trotz Applaus: Manche Regierung dürfte froh sein, dass der UNO-Hochkommisar abtritt. Ein Porträt.

Der 54-jährige jordanische Aristokrat und Diplomat Zeid al-Hussein ist eine Ausnahme im UNO-Betrieb. Viele Chefs von UNO-Organisationen sind graue Mäuse. Das Wahlverfahren sorgt in der Regel dafür, dass allzu profilierte Kandidaten frühzeitig ausgesiebt werden.

Bei al-Husseins Ernennung hat offenbar dieses System versagt. Doch es rächte sich, indem es ihm vier Jahre lang das Leben schwermachte. Einen derart unerschrockenen Kämpfer für Menschenrechte, der kein Blatt vor den Mund nahm, selbst wenn es mächtige Länder betraf – das sahen viele nicht gern. Und liessen es ihn spüren.

Keine Chance auf Wiederwahl

Wenn er nun geht, liegt das weniger an seiner Enttäuschung, an Erschöpfung oder Frustration. Vielmehr daran, dass man ihm signalisiert hat, dass er nur sehr beschränkte Wiederwahlchancen hätte.

Prinz Zeid ist wohl der bekannteste «Unokrat», gleich nach UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Gerade weil es zurzeit vielerorts schlecht steht um die Menschenrechte, steht er im Rampenlicht. Und ist umstritten; bisweilen wird er gar heftig angefeindet. Nicht weil er etwas falsch, sondern weil er vieles richtig macht.

Die Krux mit den Menschenrechten

Während niemand grundsätzlich etwas hat gegen UNO-Organisationen wie die Atombehörde IAEA, das Entwicklungsprogramm UNDP oder das Kinderhilfswerk Unicef, ist das beim UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte anders. Zwar geben es nur die wenigsten Machthaber zu, aber sehr viele – und immer mehr – sähen es am liebsten, wenn die Vereinten Nationen die Hände liessen von den Menschenrechten und sich um anderes kümmerten.

Vor allem China tritt mittlerweile bei den Vereinten Nationen so selbstbewusst auf, dass es sich ganz offen gegen Menschenrechtsanliegen wendet und am liebsten sähe, wenn sich die Weltorganisation von diesem Kernauftrag verabschieden würde. Eben wies die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nach, wie etwa China systematisch die Arbeit von Zeid al-Husseins Behörde und des Menschenrechtsrates hintertreibt.

Seit Donald Trumps Amtsantritt fallen aber auch die USA als Förderer der Menschenrechte weitgehend aus. Derzeit sind sie den Mächtigen in Washington kein zentrales Anliegen. Die Vereinigten Staaten könnten gar aus dem Menschenrechtsrat austreten, und zwar bereits in den nächsten Tagen. Es wäre ein Triumph für die Autokraten, die in immer mehr Ländern den Ton angeben und eine Schwächung jener, die sich weiterhin für die Menschenrechte einsetzen wollen.

«Populisten und Terroristen profitieren voneinander»

Zeid al-Hussein spricht leise, wirkt in seinen Auftritten emotionslos, langweilig gar. Doch er lässt sich den Mund nicht verbieten: «Regierungen gehen gegen Menschenrechtsaktivisten und -organisationen vor, hindern sie daran, mit der Uno zusammenzuarbeiten, drängen, ihnen die UNO-Akkreditierung zu entziehen.»

In einer Rede in den Niederlanden meinte er, dass dort, aber ebenso in Österreich, Italien, Ungarn oder den USA, Populisten Aufwind verspürten: «Ich werfe sie ganz bestimmt nicht in einen Topf mit islamistischen Terroristen. Aber sie bedienen sich zum Teil ähnlicher Taktiken: Lügen oder Fake-News verbreiten, Hass schüren, provozieren, ausgrenzen. Und es ist offensichtlich: Populisten und Terroristen profitieren voneinander.»

Auch jetzt, in seiner letzten grossen Rede vor dem Menschenrechtsrat zur Eröffnung der Sommersession 2018, war al-Hussein deutlich: Resolut forderte er einen verbesserten Zugang für UNO-Ermittler in Krisengebieten. Und vor allem: Nicht zuletzt die Grossmächte bekamen ihr Fett ab und ernteten scharfe Kritik – etwas, das die meisten UNO-Spitzenleute gewöhnlich vermeiden. China, das Menschenrechtsaktivisten behindere und in dessen Provinzen Tibet und Xinjiang die Menschenrechtslage dramatisch schlechter werde. Al-Hussein war es auch, der den nach langer Haft verstorbenen chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo als Inspiration für China bezeichnete.

Scharfe Kritik an den USA

Oder er griff – wohl ein letztes Mal vor seinem Abgang - die USA an, deren Präsident in einer «gewissenslosen Entscheidung» Einwandererkinder bestrafe, indem er sie von ihren Eltern trenne. «Menschen, welche eine Landesgrenze überschreiten, verlieren dadurch ihre Menschenrechte nicht», selbst wenn sie das ohne Erlaubnis tun, betonte der Hochkommissar. Völlig willkürlich würden heute in den Vereinigten Staaten Einwanderer eingesperrt oder ausgeschafft und Präsident Trump höhle mit seinen ständigen Angriffen auf die Medien die Pressefreiheit aus.

Als Zeid al-Hussein sein Amt antrat, freuten sich die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen. Sie kannten den jordanischen Prinzen und Spitzendiplomaten als hervorragenden Anwalt, mit Diplomen aus Cambridge und der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität, vor allem aber als Kämpfer für den internationalen Strafgerichtshof. Er besass Erfahrung mit Friedenseinsätzen, schrieb den ersten kritischen Bericht über sexuelle Missbräuche durch Blauhelmsoldaten, auch über die Missbräuche durch Soldaten aus seinem Heimatland Jordanien.

Keine Angst vor grossen Tieren

Es gab aber von Anfang an auch Kritiker. «Skandal», hiess es vereinzelt gar. Wie soll ausgerechnet ein Prinz aus dem wenig demokratischen Jordanien dieses Amt ausüben können, ein Vertreter der autokratischen arabischen Welt, der erste Muslim?

Diese Vorwürfe hat al-Hussein allesamt widerlegt. Und tat es immer und immer wieder. Beispielsweise indem er als erster UNO-Spitzenfunktionär die Machthaber in Burma scharf angriff, von völlig unverhältnismässiger Gewalt durch die Streitkräfte gegen die Rohingya sprach. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zog später nach.

Der Jordanier kritisiert aber auch den von den USA gehätschelten ägyptischen Diktator Abdel al-Sisi und fordert jetzt eine Untersuchungskommission für Venezuela und Nicaragua – beides gegen massive Widerstände durch die «Schutzmächte» des jeweiligen Regimes.

Migration als Menschenrecht

Und al-Hussein wendet sich gegen die Migrationsabkommen der EU mit Libyen. Zumal für ihn Migration zur menschlichen Existenz gehöre. Er geht fast so weit, die Ein- und Auswanderung, also das Recht zu leben, wo man wolle, als Menschenrecht zu bezeichnen.

All das missfällt vielen. Seit seinem Amtsantritt steht Al-Hussein unter Druck. Zahlreiche Regierungen versuchten, ihn zu ignorieren. Andere, in jüngster Zeit etwa das syrische Regime oder der türkische Präsident, greifen ihn frontal an.

Was zeigt: Offenkundig ist der Haschemiten-Prinz auf dem richtigen Weg. Nur leider ist er nun fast an dessen Ende angelangt und kann ihn nicht mehr weiter gehen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Sendebezug: SRF 4 News, 14:30 Uhr

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