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Zugunglück in Griechenland «Die elektronische Streckenüberwachung hat nicht funktioniert»

Der Zusammenstoss zweier Züge zwischen Athen und Thessaloniki mit über 30 Todesopfern und Dutzenden Verletzen sei auf menschliches Versagen zurückzuführen, sagt die Journalistin Corinna Jessen. Grund, dass überhaupt ein Mensch Entscheide fällen musste, war allerdings, dass die elektronische Überwachung der Bahnstrecke offenbar seit Jahren nicht funktioniert hat.

Corinna Jessen

Journalistin

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Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen und Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Fernsehsender und Tageszeitungen. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

SRF News: Ist schon etwas über die Ursache des Zugunglücks bekannt?

Corinna Jessen: Soweit man weiss, ist das Unglück auf menschliches Versagen zurückzuführen. Der Stationsleiter hat offenbar zwei Züge, die aufeinander zufuhren, auf das gleiche Gleis fahren lassen.

Der verantwortliche Stationsleiter wird polizeilich befragt.

Offenbar war die elektronische Fahrkontrolle mangelhaft. Deshalb musste der Stationsleiter die Strecke freigeben. Dieser wird nun von der Polizei befragt. Danach soll entschieden werden, ob er allenfalls gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Rettungsarbeiten gestalten sich schwierig – weshalb?

Die beiden Züge sind frontal ineinander gerast. Die ersten drei Wagen des Personenzugs sind deshalb völlig demoliert und verformt. Entsprechend schwierig ist es, die Leichen aus diesem Wrack zu bergen. Auch die Identifizierung ist höchst schwierig.

Die griechischen Bahnen werden von den italienischen Staatsbahnen betrieben. Sofort wurde deshalb Kritik an FS laut. Gab es Versäumnisse vonseiten der italienischen Staatsbahnen?

Es ist wohl zu früh, hier Verantwortlichkeiten zu benennen. Doch die Gewerkschaften beklagen seit Jahren – schon vor der Übernahme der griechischen Bahnen durch die Italiener –, dass die elektronische Streckenüberwachung nicht funktioniert.

Dass es die Versäumnisse gab, ist sicher – ob das aber am italienischen Betreiber liegt, ist unklar.

Jeder Streckenabschnitt muss per Funk koordiniert und übergeben werden. Offenbar ist diese Funkkontrolle auf einem Abschnitt ausgefallen, weshalb die Strecke von Hand freigegeben werden musste. Dass es die Versäumnisse gab, ist also sicher. Ob das aber am italienischen Betreiber liegt, ist unklar.

Wie wichtig ist die Strecke zwischen Athen und Thessaloniki für das griechische Bahnsystem?

Das Bahnsystem ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher klein. In Griechenland gibt es viele Inseln und Berge – beides schwierige Bedingungen für die Bahn. Doch Athen-Thessaloniki ist eine der Hauptstrecken des Landes. Weil am Montag ein Feiertag war und viele Studenten am Montagabend aus Athen zurück an ihren Studienort Thessaloniki fuhren, sind viele junge Menschen unter den Opfern des Zugunglücks.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

SRF 4 News, 1.3.2023, 08:40 Uhr ; 

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